Seit Tagen kommt es in Neukaledonien zu heftigen Protesten wegen einer geplanten Verfassungsreform. Mehrere Personen kamen dabei zu Tode. Frankreich will nun durchgreifen.
Angesichts anhaltender Unruhen in Neukaledonien hat Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin den Einsatz von hunderten Sicherheitskräften in dem französischen Überseegebiet am Sonntag verkündet. Ein Großeinsatz von 600 Sicherheitskräften „wird in diesem Moment in Neukaledonien eingeleitet“, um die 60 Kilometer lange Straße zwischen der Hauptstadt Nouméa und dem internationalen Flughafen La Tontouta „vollständig unter Kontrolle zu bringen“, damit der Flughafen wieder öffnen kann, schrieb Darmanin am Samstagabend im Onlinedienst X.
Die Straße wird seit Tagen von Unabhängigkeitsbefürwortern blockiert. Flüge von und nach Neukaledonien sind seit Dienstag ausgesetzt. Am Samstag hatte die Regierung erklärt, dass 3.200 Menschen wegen der Flugausfälle festsitzen.
Mittlerweile sechs Tote
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass bei den Unruhen ein weiterer Mensch gestorben war. Damit steigt die Zahl der Toten seit Beginn der Ausschreitungen am Montag auf sechs, wie verschiedene französische Medien am Samstag berichteten. Der Mann habe versucht, mit seinem Sohn eine Straßensperre zu passieren, als es zu einem Schusswechsel gekommen sei. Drei Menschen seien verletzt worden.
Die Situation in Neukaledonien sei „weit entfernt von einer Beruhigung“, auch wenn die Nächte derzeit etwas friedlicher seien, sagte die Bürgermeisterin der neukaledonischen Hauptstadt Nouméa, Sonia Lagarde, dem französischen Sender BFMTV.
Frankreich schickte am Freitagabend weitere 1.000 Einsatzkräfte auf die Insel im Südpazifik, um die Häfen und den Flughafen vor den gewalttätigen Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern zu sichern. Die nächtliche Ausgangssperre sowie der Ausnahmezustand, mit dem die Behörden unter anderem Demonstrationsverbote erlassen und der Polizei und Justiz erweiterte Befugnisse einräumen können, bleiben weiter in Kraft.
Als Reaktion auf die unruhige Lage sagte Premierminister Gabriel Attal den Staffellauf des olympischen Feuers in Neukaledonien ab. Die Flamme sollte eigentlich vor dem Start der Sommerspiele in Paris auch in dem französischen Überseegebiet 1.500 Kilometer östlich von Australien Halt machen.
Proteste wegen Verfassungsreform
Bei den Protesten von Befürwortern einer Unabhängigkeit der Inselgruppe geht es um eine geplante Verfassungsreform der Regierung in Paris. Diese soll Tausenden französischstämmigen Bürgern das Wahlrecht und somit mehr politischen Einfluss einräumen.
Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner – hofft aber schon lange auf einen eigenen Staat. Der nationale Rat der Kanaken warf Paris vor, die umstrittene Reform voranzutreiben, ohne den Widerstand der großen Mehrheit der indigenen Bevölkerung zu berücksichtigen.
Die frühere französische Kolonie hatte durch das Abkommen von Nouméa 1998 bereits weitgehende Autonomie erlangt. Derzeit versucht Paris, mit den politischen Kräften in dem geopolitisch und militärisch bedeutsamen Territorium ein neues Abkommen zu schließen.