Moderne Technologien verbrauchen immer mehr Strom. Dennoch hat der Energiesektor an der Börse gelitten. Steht Anlegern jetzt die große Aufholjagd bevor?
Die Notenbanken wollen 2024 die Zinsen senken, denn die Inflation spielt mit. Benzin und Heizöl haben sich von den Jahreshochs verabschiedet. Energieaktien sind dennoch spannend. Während der Dax zuletzt jeden Tag ein neues Rekordhoch erreichte, gehören Energieaktien zu den wenigen Verlierern des Börsenjahres 2023. Die schlechte Performance ist aber eher als Chance zu sehen, die Branche bietet eines der größten Aufholpotenziale.
Tech-Werte schlagen Energiesektor
Die Energieversorgung wird auch in den nächsten Jahren ein Dauerthema bleiben, dafür sorgen in Deutschland allein schon die Beschlüsse der Ampelregierung nach dem Schuldendesaster. Zwar verbrauchen Maschinen und Geräte immer weniger Energie, aber gleichzeitig nimmt ihre Zahl rasant zu. In den Städten sieht man immer mehr E-Bikes und E-Scooter über die Radwege und Straßen rollen.
Der Aktienprofi
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen Daniel auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
Im Technologiesektor hat der Hype um Künstliche Intelligenz die Kurse vieler Aktien in die Höhe getrieben. „Zu den größten KI-Profiteuren zählt Nvidia mit einem Plus von rund 230 Prozent seit Jahresbeginn, aber auch andere US-Tech-Schwergewichte wie Alphabet und Microsoft entwickelten sich mit gut 50 Prozent sehr gut“, rechnet Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets vor. US-Wachstumstitel legten 2023 um gut 30 Prozentpunkte stärker zu als Substanzwerte.
Strom spielt sehr große Rolle
Dabei wird oft vergessen, dass moderne Technologien wie Cloud Computing und Künstliche Intelligenz große Rechenzentren benötigen, die viel Strom verbrauchen. Ganz zu schweigen von Elektrofahrzeugen. „Anleger sollten sich daher nicht nur auf die direkten Profiteure der KI-Revolution konzentrieren, sondern auch auf die heimlichen Gewinner des Booms wie Energiewerte“, sagt Salah Eddine-Bouhmidi vom Broker IG.
Da gleichzeitig die Weltbevölkerung weiter wächst, steigt die Nachfrage nach elektrischen Geräten, was den globalen Energiebedarf weiter in die Höhe treiben dürfte. Fossile Energieträger werden zwar in den nächsten Jahren langsam an Bedeutung verlieren, gleichzeitig müssen aber neue Quellen erschlossen werden.
Energie wenig angesagt
An der Börse belastete vor allem der jüngste Ölpreisverfall – den Verbraucher an der Tankstelle positiv spüren durften – die Branchenwerte. „Im S&P 500 gehört der Energiesektor mit Verlusten von sieben Prozent zu den wenigen, die seit Jahresbeginn im Minus notieren“, so RoboMarkets-Experte Walter.
„Auch die Anfang Dezember beschlossene freiwillige Produktionskürzung der Opec-Staaten um zwei Millionen Barrel pro Tag für das erste Quartal 2024 verpuffte wirkungslos“, stellt IG-Mann Bouhmidi fest. Sorgen um Angebotsengpässe sehen anders aus. Im Gegenteil: „Mit rund sechs Millionen Barrel pro Tag exportieren die USA derzeit so viel Öl der Sorte WTI wie nie zuvor“, erläutert Stefan Riße von Acatis die Angebotsseite.
USA gewinnen Einfluss
Dabei spielt der Preis den Amerikanern in die Hände: WTI kostet derzeit rund vier Dollar weniger als Öl der Nordseesorte Brent. Auch Saudi-Arabien hat den Preis für Kunden aus Asien zuletzt deutlich gesenkt, um die Nachfrage zu stabilisieren. Die Opec als bisher wichtigster Preissetzer verliert zunehmend an Einfluss. Mit den USA bestimmt eine neue Ölmacht, wie teuer das Autofahren wird.
„Inzwischen liegt die US-Ölproduktion mit gut 13 Millionen Barrel pro Tag nur noch knapp unter dem Rekordhoch, das kurz vor dem Corona-Schock erreicht wurde“, so Vanyo Walter. Der Fracking-Boom steuert nach 2015 und 2019 auf einen dritten Höhepunkt zu, den auch Saudi-Arabien und Russland zu spüren bekommen.
Wende in Sicht
Dennoch könnte eine unsichtbare Preisuntergrenze auf dem Ölmarkt langsam erreicht sein. Das US-Energieministerium kündigte im Oktober an, Öl für die strategische Reserve zu einem Preis von 79 Dollar pro Barrel oder weniger zurückzukaufen. Im vergangenen Jahr hatte Washington mit 180 Millionen Barrel den bisher größten Verkauf aus der strategischen Ölreserve getätigt, um den weltweiten Preisanstieg infolge des Krieges in der Ukraine abzufedern.