Zerbricht die Ampel-Koalition an zwölf Punkten der FDP? Solche Gedankenspiele aus der Union weist FDP-Chef Lindner zurück. Trotzdem überrascht das Getöse um die Parteitagsvorschläge der Liberalen.
FDP-Parteichef Christian Lindner hat Appellen der oppositionellen Union zur Zusammenarbeit oder gar zu einem Ausstieg seiner Partei aus der Ampel-Koalition eine Absage erteilt. „Die CDU trägt doch Mitverantwortung für die Lage dieses Landes, diese Wachstumsschwäche ist doch nicht über uns gekommen in den letzten Wochen“, sagte der Bundesfinanzminister im ZDF-„heute journal“ mit Blick auf die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Die Opposition sei zwar eingeladen, bei Reformen mitzuwirken, aber: „Ich mache nicht Koalitionsspielchen – mir geht“s darum, in einer schwierigen Wirtschaftslage unseres Landes Impulse zu setzen.“ Negativ aufgefallen sei ihm auch, das CDU und CSU das Wachstumschancengesetz der Ampel-Regierung lange blockiert hätten.
Lindner verteidigte die in der Regierung umstrittenen FDP-Vorschläge für eine „Wirtschaftswende“, die am Wochenende auf einem Parteitag beschlossen werden sollen. Deutschland verzeichne das schlechteste Wachstum unter den entwickelten Wirtschaftsnationen – Ziel sei es, das Land wieder auf den Erfolgspfad zu führen. „Da muss jeder seine Beiträge zu leisten, auch in der Koalition – ich denke, das ist das, was die Menschen erwarten von uns als Regierung.“ Er nannte die FDP-Vorschläge, die aus der SPD als „Überbleibsel aus der Mottenkiste“ und „Parteitagsfolklore“ kritisiert wurden, als „ausbalanciert und im Interesse unseres Landes“.
Klingbeil: Regierung muss sich „zusammenraufen“
SPD-Parteichef Lars Klingbeil sagte in den ARD-„Tagesthemen“, die Regierung müsse sich „zusammenraufen“, um bei Themen wie Investitionen, Bürokratieabbau und Energiepreisen, die für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg entscheidend seien, eine Einigung zu erzielen. „Dafür warten wir jetzt den Parteitag der FDP ab. Dann muss man sich sehr schnell zusammensetzen und braucht dann Entscheidungen dieser Regierung, was zu tun ist.“ SPD, Grüne und FDP müssten die Herausforderungen „zu dritt“ anpacken.
Die FDP kommt am Wochenende in Berlin zu ihrem 75. Ordentlichen Bundesparteitag zusammen. Schon vorab hatten zwölf Punkte „zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ für erhebliche Meinungsverschiedenheiten in der Ampel-Koalition gesorgt. Die FDP-Pläne sehen unter anderem vor, dass Bürgergeldempfänger künftig sofort auf 30 Prozent ihrer Leistungen verzichten müssen, wenn sie einen Job verweigern. Zudem soll die Rente mit 63 nach dem Willen der FDP abgeschafft werden und es sollen mehr Überstunden für Arbeitende durch steuerliche Vorteile ermöglicht werden.
„Auch der Sozi ist dafür, dass der Sozialetat schrumpft“
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte im „Stern“ davor, Wirtschaftsimpulse und Sozialausgaben gegeneinander auszuspielen. „Wir haben 800.000 Aufstocker, die Bürgergeld beziehen, obwohl sie arbeiten. Zwei Millionen Haushalte haben Anspruch auf Wohngeld, viele trotz Arbeit“, betonte Kühnert. „Bessere Löhne für diese Gruppen bedeuten Ersparnisse im Sozialhaushalt. Auch der Sozi ist dafür, dass der Sozialetat schrumpft – nur eben durch den Abbau von Ungerechtigkeiten.“
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, es sei „dringend notwendig, dass die Bundesregierung eine glaubwürdige Agenda für wachstumsorientierte Reformen vorlegt“. Die Probleme der deutschen Wirtschaft könnten aber nicht allein auf die Politik der Ampel-Koalition zurückgeführt werden, betonte Fuest. „Die EU trägt zum Aufwuchs überflüssiger Bürokratie bei, und die Vorgängerregierungen haben in der Wirtschaftspolitik ebenfalls vieles versäumt.“