Die Jagd nach dem Kaufhaus-Erpresser „Dagobert“ gehört zu den spektakulärsten Kriminalgeschichten. Mit seinen ausgeklügelten Tricks narrte er die Polizei. Im Interview verrät er, ob er seine Taten heute bereut.
„Guten Morgen, hier ist Onkel Dagobert“, sagt der Anrufer mit fisteliger Stimme. „Es tut mir leid, dass ich Ihre Firma erpressen musste, aber es war nicht anders möglich“, ergänzt er und hört sich dabei gehetzt an. Drei Tage nach dieser Aufnahme wird der Mann an einer Berliner Telefonzelle gestellt, als er neue Anweisungen für die Übergabe von mehr als 1,4 Millionen D-Mark stellen will. Rund zwei Jahre hat Kaufhaus-Erpresser Dagobert die Polizisten mit seinen ausgeklügelten Tricks genarrt. Mehr dazu lesen Sie hier.
Am 22. April 1994 knallen bei der Polizei die Sektkorken – und auch der Gejagte ist letztlich erleichtert. Am kommenden Montag jährt sich die Verhaftung von Kaufhaus-Erpresser Dagobert alias Arno Funke zum 30. Mal. Bereut er seine Verbrechen? Im t-online-Gespräch spricht Funke über seine Ängste als Krimineller, seine Zeit nach der Haft und die Beziehung zu seinen ehemaligen Jägern.
t-online: Herr Funke, wie lebt es sich als Rentner?
Arno Funke: Es lebt sich gut. Von Langeweile kann nicht die Rede sein. Ich habe gerade ein Buch geschrieben – suche aber noch nach einem Verleger.
Sie wohnen weiterhin in Berlin. Wie geht es Ihnen damit?
Früher war es hier wesentlich konservativer als heute. Das war eine ganz andere Zeit. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich möchte aus Berlin raus. Ich habe die Schnauze voll. Mir passt das alles nicht mehr – zu viele Veränderungen. Aber wenn ich in meinem Alter nach Brandenburg ziehe, dann muss erst mal die ärztliche Versorgung sichergestellt sein.
Am Dienstag jährt sich Ihre Verhaftung als Kaufhaus-Erpresser zum 30. Mal. Wie schauen Sie heute auf die Zeit?
Puh. Das ist schon so lange her. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das alles gar nicht passiert ist. Wenn ich nicht ständig daran erinnert werden würde, würde ich das glatt vergessen. Wenn ich daran zurückdenke, kann ich es gar nicht mehr wirklich nachvollziehen, wie ich das in meinem damaligen Zustand überhaupt alles geschafft habe.
Also würden Sie lieber vergessen?
Das kann man so sagen. Es ist schon so, als wenn man sich an einen Albtraum erinnert.
Aber Sie profitieren davon natürlich auch. Sie haben ein Buch über diese Zeit geschrieben, viel durch Merchandise verdient. Sie wurden dadurch bundesweit bekannt.
Das stimmt. Es ist ein Teil meiner Biografie. Die kann ich nicht einfach löschen – damit muss ich leben. Und es hat mir gewisse Vorteile verschafft, das darf man nicht verkennen.
„Es ist so, als wenn man sich an einen Albtraum erinnert.“
Arno Funke
Wie viel Geld mussten Sie an Karstadt zurückzahlen?
Das sind die Legenden, die im Internet kursieren. Im Detail darf ich nicht darüber sprechen. Als ich ins Dschungelcamp gegangen bin und ich wusste, dass das Thema Geld durch die Medien gehen wird, habe ich mich mit Karstadt in Verbindung gesetzt und wir haben uns geeinigt.
Nein, ich habe bei Karstadt keine Schulden mehr.
Wie sind Sie auf die schiefe Bahn gekommen? Man steht ja nicht an einem Tag auf und denkt sich: Ok, nun werde ich Kaufhaus-Erpresser.
Natürlich nicht. Ich litt unter schweren Depressionen, die durch Lösungsmittel hervorgerufen wurden, die ich in meinem Berufsleben zu viel eingeatmet hatte. Daraus resultierten Hirnschädigungen. Ich fühlte mich permanent so, als hätte ich eine halbe Flasche Whiskey getrunken. Ich war wie zugedröhnt. Meine Gefühle waren reduziert. Ich stand kurz vor dem Selbstmord. Und da dachte ich: Wenn ich jetzt schon so weit bin, dann kann ich auch noch mal was probieren.
Und dann Kaufhaus-Erpresser? Warum kein Tankstellen-Überfall?
Sie können gerne mal eine Tankstelle überfallen. Lohnt sich das? Ich denke nicht. Das reicht gerade mal für die nächsten Tage. Und außerdem hätte ich dann Menschen direkt gegenübertreten und bedrohen müssen. Das wäre nichts für mich gewesen. Der Gedanke war: Wenn ich Geld habe, habe ich mehr Freiheiten und kann zusehen, mit meinem Leben wieder klarzukommen.
Sie haben damals vom KaDeWe 500.000 DM erpresst. Vier Jahre später war davon nicht mehr viel übrig. Warum war das Geld so schnell weg?