Diplomatie oder harte Hand? Bei „Maischberger“ herrschte Uneinigkeit über das Verhältnis Deutschlands zu Russland und China.
In der ARD-Talkshow „Maischberger“ stritten die Sozialdemokratin Gesine Schwan und der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über die Rolle Deutschlands im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Während Schwan einen diplomatischen Lösungsansatz in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellte, forderte Kiesewetter am Mittwochabend in der ARD erneut eine militärische Aufrüstung des angegriffenen Landes.
Hoffnungen auf eine baldige Besserung der Lage wollten allerdings beide dem Publikum nicht machen. Im Gegenteil. „Es geht höchstens gesicherte Koexistenz, Frieden ist zwischen diesen beiden Ländern in der nächsten Zeit glaube ich nicht drin“, stellte die SPD-Politikerin nüchtern fest. Und der Christdemokrat betonte: „Die ukrainische Bevölkerung ist nervlich am Ende, die Soldaten sind traumatisiert.“
Die Gäste
- Gesine Schwan (SPD), Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission
- Roderich Kiesewetter (CDU), Außenpolitiker
- Heinrich von Pierer, Manager
- Hannes Jaenicke, Schauspieler
- Hannah Bethke, „Welt“-Journalistin
- Matthias Deiß, stellvertretender Leiter des ARD-Hauptstadtstudios
Der Bundestagsabgeordnete und Oberst a. D. rechnet mit einer massenhaften Abwanderung, wenn nicht innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre ausreichend Mittel geliefert würden, um dem Land eine Wende zu ermöglichen. „Es geht darum, dass fünfzehn Millionen Menschen in der Ukraine auf gepackten Koffern sitzen“, kalkulierte Kiesewetter. Das Auswärtige Amt gehe von zehn Millionen Zuwanderern nach Mitteleuropa und bis zu drei Millionen nach Deutschland aus.
Kiesewetter sieht China klar an der Seite Russlands
Der Christdemokrat riet dazu, nicht zu vergessen, dass Putin nur die Sprache der Stärke verstehe und selbst über starke Verbündete verfüge. „China steht unverrückbar an der Seite Russlands“, zeigte sich der Außenpolitiker überzeugt.
„Diese Idee, dass er militärisch in die Knie gezwungen werden kann, die teile ich nicht“, befand hingegen Schwan und warnte vor Drohgebärden in Richtung des russischen Präsidenten. Weniger pessimistisch zeigte sich die Politologin und Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission hinsichtlich der Versuche, China in einen Prozess der Friedensdiplomatie einzubeziehen.
Der Schauspieler Hannes Jaenicke erkannte im Verhalten der deutschen Politik gegenüber der ostasiatischen Weltmacht stattdessen eine Wiederholung der Fehler, die man schon gegenüber Russland gemacht habe. Inzwischen sei man von China derart abhängig, dass es praktisch unmöglich sei, Produkte zu vermeiden, die ganz oder teilweise aus China kämen. „Es werden, glaube ich, einfach zu viele Teile unseres Industrieprozesses in China gefertigt“, kritisierte der engagierte Umweltaktivist.
China-Besuch von Scholz als erfolglos kritisiert
Bundeskanzler Olaf Scholz warf Jaenicke zudem vor, sich bei seinem China-Besuch anders als seine Vorgängerin Angela Merkel nicht mit Oppositionellen getroffen und sich nicht ausreichend für Menschenrechte eingesetzt zu haben. Von einem Sozialdemokraten hätte er das erwartet, äußerte das Grünen-Mitglied enttäuscht.
Die „Welt“-Journalistin Hannah Bethke nahm den Bundeskanzler gegen diesen Vorwurf in Schutz und zog stattdessen die grüne Bundesaußenministerin zum Vergleich heran. „Scholz macht ja immer sehr deutlich, dass es diplomatische Zwänge gibt. Und er ist jetzt keine Annalena Baerbock – auch zum Glück, wie ich finde.“ Scholz sei weniger unvorsichtig, urteilte Bethke. Der Hintergrund: Baerbock hatte 2023 den chinesischen Präsidenten Xi Jinping in einem Interview als „Diktator“ bezeichnet und damit für große Verstimmung bei dem wichtigen deutschen Handelspartner gesorgt.
Besondere Verdienste wollte Bethke dem Kanzler angesichts seiner China-Reise aber dennoch nicht bescheinigen. Er habe sich „in den entscheidenden Punkten offenbar nicht durchsetzen“ können, erklärte die Politikredakteurin.
Es fehle ein vorzeigbarer Erfolg, fand auch Matthias Deiß. Der stellvertretende Leiter des ARD-Hauptstadtstudios vermutete, Scholz habe auf ein positives Signal Chinas für die Teilnahme an einer Friedenskonferenz für die Ukraine gehofft. Was die Reise wert sei, könne man aber erst in einigen Monaten sehen, gab der Journalist andererseits zu bedenken und verwies auf ein vertrauliches Gespräch zwischen dem chinesischen Präsidenten und dem deutschen Kanzler. Die Kräfteverhältnisse seien allerdings klar. „China ist extrem selbstbewusst, weiß einfach, dass es in der stärkeren Position ist“, so Deiß.