Erdgas ist nicht die sauberste Technologie. Deshalb bieten viele Versorger „klimaneutrales“ Gas an. Doch die meisten Angebote halten nicht das, was sie versprechen.
Viele deutsche Gasversorger werben damit, dass ihr Erdgas „klimaneutral“ ist und versprechen, dass sie Geld in Klimaschutzprojekte investieren, um die schädlichen Emissionen auszugleichen. Diese Praxis, die sich Kompensation nennt, ist jedoch umstritten und nicht so effektiv wie behauptet. Nun zeigt das Recherchenetzwerk „Correctiv“ auf, dass viele dieser „Ökogas“-Behauptungen falsch sind.
Das Recherchenetzwerk ließ Experten von Institutionen wie dem New Climate Institute, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich oder der Berkeley University über 100 deutsche Gasversorger überprüfen. Dabei stellte sich heraus, dass für 116 von ihnen nachgewiesen werden konnte, dass ihre Kompensationsangaben nicht korrekt waren. Sie hatten Gutschriften aus Projekten gekauft, die laut wissenschaftlicher Einschätzung weniger CO₂ (Kohlendioxid) reduzieren oder speichern als angegeben. Nur bei 12 Prozent aller Angebote führe die verfügbare CO₂-Gutschrift zu einer „echten Emissionsreduzierung“.
Rund 63 Prozent der insgesamt 16 Millionen ausgewerteten CO₂-Gutschriften konnten solchen Projekten zugeordnet werden, die nach Ansicht der Wissenschaftler nicht zur Kompensation geeignet sind. Das bedeutet, dass sie bestimmte Qualitätsmerkmale nicht erfüllen – etwa, weil sie weniger Waldfläche schützen als angegeben oder weniger Emissionen einsparen als berechnet.
Rechtsanwälte bewerten Verhalten als Täuschung
Die Folge: Viele deutsche Gasversorger werben mit ihrem Engagement für Klimaschutzprojekte, die wahrscheinlich keine zusätzlichen Emissionen einsparen. Das sogenannte „Ökogas“ ist daher in vielen Fällen genauso klimaschädlich wie herkömmliche Erdgastarife.
Zwei Rechtsanwälte haben dieses Vorgehen der Gasversorger auf Nachfrage von „Correctiv“ als Täuschung eingestuft. Selbst wenn die Unstimmigkeiten bei den Klimaschutzprojekten liegen: Wenn Unternehmen mit bestimmten Umwelteigenschaften ihrer Produkte werben, müssen sie auch dafür sorgen, dass ihre Behauptungen stimmen.
Erste Unternehmen reagieren
„Diese Täuschung dient vor allem dazu, eine sterbende Branche am Leben zu erhalten“, sagt Monique Goyens, Direktorin des Europäischen Verbraucherverbands (BEUC) in Brüssel zu Correctiv. „Anstatt das Geschäftsmodell zu ändern, lassen die Gasversorger ihre Kundinnen und Kunden in dem Glauben, sie täten etwas Gutes.“
Nach der Konfrontation mit den Rechercheergebnissen von „Correctiv“ haben bereits die ersten Unternehmen Konsequenzen gezogen: So hat der Energieriese „Rhein Energie“ angekündigt, das Ökogas-Angebot bis zur Verfügbarkeit „konkreter Projektüberprüfungsverfahren“ zu pausieren. Sechs weitere Gasversorger haben laut „Correctiv“ ihre Klimaneutralitätsversprechen von ihren Webseiten entfernt.
Deutsche Umwelthilfe will klagen
Und dabei bleibt es nicht: Am Dienstag kündigte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) an, juristisch gegen 15 Energieversorger vorzugehen. Alle Betriebe bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern Tarife für den Bezug von vermeintlich klimaneutralem „Ökogas“ an, dessen CO2-Emissionen durch Ablasszahlungen in Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden sollen. In allen Fällen sind die zur Kompensation herangezogenen Projekte aus Sicht der DUH untauglich, um die versprochene Klimaneutralität herzustellen.
„Mit vermeintlichen Öko-Tarifen führen die von uns zur Unterlassung aufgeforderten Erdgasversorger umweltbewusste Kundinnen und Kunden hinters Licht und gaukeln ihnen klimaneutrale Ökobilanzen ihrer Gastarife vor, die es in der Realität nicht gibt“, erklärt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH in einer Mitteilung.