was nach oben geht, kommt auch wieder herunter – nach dem Schaufelrad-Prinzip eines Mississippi-Dampfers im Wasser funktioniert derzeit die Börse. Wir schauen auf die Langzeit-Grafik der Gewinne im Dax und staunen Bauklötze über die hohen Säulen der Vergangenheit. Nach dem Coronajahr 2020 schoss das addierte Nettoergebnis auf 128,5 Milliarden Euro, wobei 28 der 40 Konzerne in der Börsenoberliga jeweils mehr als eine Milliarde verdienten.
In diesem Jahr allerdings ist es vorbei mit dem Stapeln der Geldsäcke. Die Analysten haben ihre Prognosen um zehn Prozent und mehr gesenkt, im Fall der Lufthansa sogar um 70 Prozent. Einige Firmen wie Thyssen-Krupp setzen den Ausblick aus, andere wie Schaeffler kassieren ihn gleich ganz. Unter den gelehrten Trostspendern fällt uns der Philosoph Karl Jaspers ein: „Die Hoffnungslosigkeit ist schon die vorweggenommene Niederlage.“
Dass im Dax derzeit ein Milliardenrisiko liegt, wie unsere Titelgeschichte analysiert, ist nicht weiter verwunderlich. Die Risiken haben sich um die Unternehmen gelegt wie Jahresringe um einen Baum.
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- Risiko eins: Wer in Russland wirtschaftet, leidet. Das betrifft etwa den Pattex- und Persil-Produzenten Henkel, der dort knapp fünf Prozent des Gesamtumsatzes von 20 Milliarden Euro macht. Nach unseren Berechnungen kommen die 100 größten deutschen börsennotierten Firmen insgesamt auf einen Russland-Anteil von knapp einem Prozent.
- Risiko zwei: Wer besonders viele Rohstoffe braucht, zahlt. Die Financial institution of America kommt zum Schluss, dass die Basisstoffe für jede Volkswirtschaft in einem Ausmaß teurer geworden sind, wie dies zuletzt 1915 im Ersten Weltkrieg der Fall struggle. Stahl-, Baustoff- und Chemiefirmen leiden deshalb besonders unter dem Liebesentzug der Börsianer.
- Risiko drei: Wer komplizierte Produktionsketten hat, schaut in die Röhre. Der Lieferausfall von Kabelbäumen und Bordnetzsystemen aus dem Kriegsland Ukraine trifft die Autobranche, und hier besonders Volkswagen und BMW. Aus Russland fehlen Palladium und Nickel. Aufgrund der Produktionspausen meldet BMW eine Ergebnisbelastung von 950 Millionen Euro.
- Risiko vier: Wer auf Globalisierung im alten Stil der 1990er-Jahre setzte, muss sich schmerzhaft korrigieren. Die weltweit enge Vernetzung half den deutschen exportfixierten Unternehmen, in den High 100 tragen Exporte mehr als 80 Prozent zum Umsatz bei. Dieses Geschäftsmodell verdunstet angesichts des Tendencies zur „Glokalisierung“.
In dieser Lage hilft manchem vielleicht nur, die Augen kurz zu schließen, damit er danach wieder besser sehen kann.
Donald Trump, 75, kannte man als großen Schwurbler und Verschwörungstheoretiker, aber nie als Nicht-Kommunikator. Am 6. Januar 2021 aber, dem Tag der Kapitol-Erstürmung, hat der Ex-Präsident vielleicht lange Schaumbäder genossen, meditiert oder Asanas geübt, jedenfalls hat der sonstige Dauertelefonierer an jenem Tag zwischen 11.17 Uhr und 18.54 Uhr offiziell kein einziges Telefonat geführt, wie sich herausstellt. Purer Zufall, dass die von ihm aufgepeitschten Anhänger in dieser Zeit das US-Parlament schändeten.
Ermittler des parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind bei Trump skeptisch bezüglich irgendwelcher Freizeithypothesen. Sie prüfen, so die „Washington Put up“, ob er über Handys von Mitarbeitern oder über Pay as you go-Handys, additionally Wegwerftelefone, kommuniziert hat. Der Twitter-König a. D. gibt sich in dieser Sache wie die digitale Unschuld vom Lande: „Ich habe keine Ahnung, was ein Wegwerfhandy ist, soweit ich weiß, habe ich den Begriff sogar noch nie gehört.“
Noch glauben die meisten Briten sowie die Abgeordneten der konservativen Regierungspartei, sie bräuchten einen wie Boris Johnson gegen den Kriegstreiber Wladimir Putin, einen Irrwisch gegen einen Derwisch.
Doch da sind noch die zwölf Corona-Partys in den Jahren 2020 und 2021 am Regierungssitz Downing Road. Ein Fehlverhalten stritt der Premier im Parlament ab, es habe keine Feten gegeben. Dennoch verteilte Scotland Yard nach intensiven Ermittlungen die ersten 20 Bußgeldbescheide. Die Namen der Empfänger sind unbekannt – noch.
Johnson selbst ist wohl vorerst nicht betroffen, es folgen allerdings noch ein paar Bescheide. An sechs der zwölf Treffen soll der Regierungschef persönlich teilgenommen haben, obwohl strenge Kontaktbeschränkungen galten. In Sachen „Partygate“ würde man gerne in Ruhe die 300 Fotos und 500 Seiten Dokumente studieren, die Scotland Yard vorliegen. Lassen wir Arthur Conan Doyle sprechen, den Urheber von „Sherlock Holmes“: „Was ein Mann erfinden kann, kann ein anderer entdecken.“
Seit Monaten hören wir von den politischen Corona-Bekämpfern, es käme weniger auf die medial so gern aufbereiteten Infektionszahlen an, sondern auf die Lage in den Kliniken. Und hier schildert Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) einmal unaufgeregt die Lage.
Angesichts der hohen Infektionszahlen sei die Belastung der Krankenhäuser zwar hoch, sagt sie, „aber sie ist keine Überlastung“. Die Länder hätten da „wenig Interpretationsmöglichkeiten“ in Bezug auf das neue Infektionsschutzgesetz. Alle Pandemie-Maßnahmen würden inhaltlich streng durch die Verwaltungsgerichte geprüft.
Und so halten nur Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg über die „Hotspot-Regelung“ am bisherigen harten Coronakurs fest, was zu Klagen führen dürfte. In den anderen Ländern endet beispielsweise die Maskenpflicht im Einzelhandel. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beklagt, der Bund habe die Länder in der Causa Corona entmachtet: „Es wäre richtig gewesen, uns den Instrumentenkasten zu geben, damit wir nach Lage der Dinge die Instrumente anwenden können.“
Aber: Die Metapher vom „Instrumentenkasten“ ist derartig ausgelutscht, dass man von Tonstörung sprechen kann.
Und dann ist da noch die Gründerin Zarah Bruhn, die seit 2016 mit ihrem Unternehmen „Socialbee“ geflüchteten Menschen hilft, sich im deutschen Arbeitsmarkt einzufinden. Jetzt kommen auf die 31-Jährige noch ganz andere Aufgaben zu: Sie wird Beauftragte für soziale Innovationen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Zum Amtsantritt sagt sie: „Mir ist es wichtig, dass mehr Kapital bereitgestellt wird. Wichtige Förderprogramme sollten auch für soziale Innovationen geöffnet werden.“ Bruhn sieht sich als Pionierin. Es handele sich um keine Nische mehr, sagt sie, soziale Zusatzangebote durch Unternehmer seien intestine, weil diese leichter Neues ausprobieren könnten.
Vor ein paar Jahren hat sie ihre Mission in einer schönen Kampagne ausgedrückt: „Mushy expertise can come the onerous method.“ Manchmal sind die „Sanften“ die wirklich Harten.
Ich wünsche Ihnen einen sanften Anfang in diesen Tag.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs