Düsseldorf Mehrere wichtige Bayer-Aktionäre wenden sich gegen Forderungen nach einer vorzeitigen Abberufung von Vorstandschef Werner Baumann. Sie begründen dies auch mit der zuletzt besseren Entwicklung des Konzerns. „Die ersten Fortschritte sind erkennbar, und eine vorzeitige Auflösung seines Vertrags würde nur Chaos produzieren“, sagte Janne Werning, Leiter Capital Markets & Stewardship bei der Fondsgesellschaft Union Funding, dem Handelsblatt.
Temasek begründet dies „mit Bedenken hinsichtlich der operativen Leistung von Bayer unter Baumann“. In Deutschland stößt der Staatsfonds mit der Forderung nach einer Abberufung des CEO auf viel Kritik. Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nannte den Angriff ein „absurdes Theater – inhaltlich und was den Zeitpunkt betrifft“.
Die DSW vertritt Tausende Kleinaktionäre von Bayer. Tüngler forderte am Montag die „langfristig orientierten“ Bayer-Aktionäre auf, die Aktion von Temasek nicht zu unterstützen. Er wies darauf hin, dass Aufsichtsratschef Winkeljohann das Ende der Ära Baumann schon längst eingeleitet habe. Spätestens im April 2024 werde der CEO den Konzern verlassen.
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Union Funding ist eine der größeren deutschen Fondsgesellschaften unter den Bayer-Anteilseignern. Union-Supervisor Werning sieht die Ära Baumann durchaus kritisch: „Wir finden es richtig, dass der Vertrag von Herrn Baumann in zwei Jahren ausläuft“, sagt er. Mit dem Kauf von Monsanto habe sich Bayer „das riskanteste Saatgutunternehmen“ ausgesucht und sei „unnötigerweise“ ein hohes finanzielles Risiko eingegangen.
Hedgefonds will keine Entlastung für den Bayer-Chef
„Allerdings sollte Herr Baumann nun in die Lage versetzt werden, den Erneuerungsprozess fortzusetzen und das Unternehmen geordnet an seinen Nachfolger zu übergeben“, erklärte Werning. Ähnlich argumentierte ein anderer größerer Fonds, der bei Bayer engagiert ist, aber anonym bleiben möchte. „Wir sehen keinen Sinn darin, jetzt den Bayer-Chef aus dem Amt zu drängen“, heißt es dort.
Doch nicht nur Temasek äußert sich kritisch gegenüber Baumann. Während der Staatsfonds bisher im Hintergrund bleibt, liegt Bayer von einem anderen Fonds ein offizieller Gegenantrag zur vorgeschlagenen Entlastung des Vorstands auf der Hauptversammlung vor.
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Eingereicht hat ihn die in Genf ansässige Investmentgesellschaft Alatus Capital mit Vollmacht ihres auf den Kaimaninseln ansässigen Hedgefonds Aquilus Inflection Grasp Fund. In dem Schreiben an Bayer fordert Alatus speziell die Nichtentlastung von Baumann und begründet dies mit Kennzahlen aus dessen bisheriger Amtszeit. Von Mai 2016 bis Ende Februar 2022 habe der Konzern 48 Prozent des Börsenwerts verloren.
Alatus fordert Bayer auf, die Aktionäre auf der Hauptversammlung einzeln über die Entlastung der Vorstandsmitglieder abstimmen zu lassen. Üblicherweise votieren die Anteilseigner auf einer Hauptversammlung über die Arbeit des Vorstands als Gesamtorgan einer Aktiengesellschaft. Bayer hat diese Forderung in einer öffentlichen Stellungnahme zurückgewiesen. Ein solcher Antrag auf Einzelabstimmung bei der Entlastung sei nach den gesetzlichen Bestimmungen für Hauptversammlungen nicht zulässig.
In dem Schreiben wird auch deutlich, dass der Aufsichtsrat hinter dem Vorstand steht. „Der Aufsichtsrat hat uneingeschränkt Vertrauen in die Arbeit des Vorstands unter der Führung des Vorstandsvorsitzenden und in die vom Vorstand entwickelte Strategie“, heißt es darin. Der Konzern verweist auch auf die operativen Erfolge im Jahr 2021, in dem Bayer die eigene Prognose übertraf.
Kursplus von 30 Prozent seit Jahresbeginn
Bei Investoren findet diese Efficiency Anerkennung. „Bayer hat operativ die Trendwende geschafft und steht deutlich besser da als im Jahr zuvor“, sagt Union-Funding-Supervisor Werning. Auch im Pharmabereich hat Bayer Fortschritte gemacht und die Pipeline „durch kluge Akquisitionen verstärkt“.
Die operative Verbesserung zeigt sich auch im Aktienkurs, der am Montag um weitere 1,5 Prozent auf 61,50 Euro stieg. Bayer ist mit einem Kursplus von 30 Prozent seit Jahresbeginn der stärkste Wert im Dax. Dazu trägt auch bei, dass der Konzern ein eher konjunkturrobustes Portfolio mit Medikamenten und Agrarrohstoffen hat, die auch in Krisenzeiten gefragt sind.
In der Politik wird befürchtet, dass Bayer durch eine Auseinandersetzung der Investoren in der aktuell kritischen Section geschwächt werden könnte. Gerade das Agrargeschäft mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln ist wegen der Folgen des Ukrainekriegs gefordert. Die ausbleibenden Lieferungen von Weizen aus Russland und der Ukraine verschärfen die Versorgungslage vor allem in afrikanischen Ländern.
Bayer sei als Lieferant wichtiger Agrargüter ein systemrelevanter Participant aus Europa, unterstrich am Montag der Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament, Nobert Lins (CDU).
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