New York Neue Luftangriffe haben in der Nacht verschiedene Städte und Regionen der Ukraine erschüttert. Nach ukrainischen Medienberichten gehörten Kiew, Luzk, Riwne und Charkiw zu den Zielen der russischen Angreifer. In Luzk im Nordwesten der Ukraine wurde am Abend ein Treibstoffdepot getroffen. Zuvor warfare in allen Regionen des Landes Luftalarm ausgelöst worden.
Ein Berater Wolodimir Selenskis sprach von einer „unmenschlichen“ Taktik der russischen Streitkräfte. Mychajlo Podoljak schrieb auf Twitter, Russland würde humanitäre Korridore und belagerte Städte blockieren. Auch die Hafenstadt Mariupol sei erneut getroffen worden.
„Die Russen haben keine Sprache, keinen Humanismus und keine Zivilisation mehr“, schrieb Podoljak. „Nur noch Raketen und Bomben, um die Ukraine möglichst von der Landkarte auszuradieren.“
Der ukrainische Präsident selbst beschrieb die Scenario in Mariupol in seiner allnächtlichen Videoansprache mit drastischen Worten: „Alle Ein- und Ausgänge der Stadt Mariupol sind blockiert“, sagte er. „Der Hafen ist vermint.“
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Es sei unmöglich, Lebensmittel, Medikamente und Wasser dorthin zu bringen. Selbst die Zerstörungen durch die russische Armee in Tschetschenien seien mit der Scenario in Mariupol nicht vergleichbar.
Unterdessen rechnet die Ukraine damit, dass Russland seine Angriffe bald ausweiten könnte. Nach der Darstellung des ukrainischen Generalstabes versorgt russisches Militär deren Abschussrampen in Belarus mit neuen Projektilen. Die Raketen seien für die bei Kalinkawitschy aufgestellten Einheiten mit dem „Iskander“-Waffensystem gedacht, hieß es. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
In der Umgebung der Stadt Charkiw hat die ukrainische Armee jedoch auch erfolgreiche Gegenangriffe zu verzeichnen. Dabei seien russische Truppen am Sonntag aus mehreren Ortschaften verdrängt worden, sagte der regionale Militärchef Oleg Synegubow auf Telegram. „Wir treiben die Besatzer in Richtung (russischer) Grenze zurück“, sagte er.
Bei russischen Luftangriffen auf die Ortschaft Oskil im Bezirk Isjum sei ein Wohnhaus getroffen worden. Dabei sei eine vierköpfige Familie getötet worden, schrieb Synegubow. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Kiew fordert von UN eine Schutzzone für Tschernobyl
Vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erwartet die ukrainische Regierung die Einrichtung einer speziellen Schutzzone für das Atomkraftwerk Tschernobyl. Nach den Worten der stellvertretenden Regierungschefin Iryna Wereschtschuk sollte dort eine Sondermission der UN die Kontrolle übernehmen.
„Im Sinne der nuklearen Sicherheit stellen die verantwortungslosen und unprofessionellen Aktionen der russischen Militärs eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Hunderte Millionen Europäer dar“, sagte sie nach Angaben der „Ukrajinska Prawda“.
Verhandlungen gehen weiter
In der Türkei soll zu Wochenbeginn über den Frieden in der Ukraine weiterverhandelt werden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Das Treffen solle in Istanbul stattfinden, teilte das türkische Präsidialamt am Sonntagabend mit.
Zuvor hatte der türkische Präsident mit Kremlchef Wladimir Putin telefoniert. Darin hat Recep Tayyip Erdogan seinen Amtskollegen offenbar um einen Waffenstillstand und um eine Verbesserung der humanitären Lage in der Ukraine gebeten.
Die ukrainische Seite will nach Angaben Selenski weiterhin auf ihre territoriale Integrität und Souveränität bestehen. Wirksame Sicherheitsgarantien seien ein Muss. Das Ziel der Ukraine sei Frieden und die Rückkehr zu einem normalen Leben im eigenen Land so schnell wie möglich.
Scholz bei Anne Will
Der Bundeskanzler stellte sich am Sonntagabend den Fragen von ARD-Moderatorin Anne Will. Hauptthema waren dabei der Ukrainekrieg und die Energieversorgung Deutschland. So sprach sich Olaf Scholz gegen ein Embargo der Energieimporte aus Russland aus und verwies auf die wirtschaftliche Folgen.
Gleichzeitig wies er den Vorwurf zurück, Deutschland würde Russlands Finanzierung des Angriffskriegs in der Ukraine unterstützen. „Russland kann mit dem Geld, das es auf seinen Konten lagert, gegenwärtig gar nichts anfangen wegen unserer Sanktionen,“ sagte Scholz am Sonntagabend.
Es werde „ziemlich schnell gehen“, die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten zu beseitigen. Bei Kohle könne dies, wenn alles intestine laufe, schnell in diesem Jahr gelingen, kündigte Scholz an. Auch bei Öl könne dies sehr schnell gehen.
Und für Fuel habe man Pläne, die schon lange in der Schublade gelegen hätten, „jetzt aktiv geschaltet“. Mit größtem Tempo werde die technische Infrastruktur geschaffen, um Fuel von anderen Lieferanten importieren zu können.
An Putin gerichtet sprach der Kanzler Warnung aus. Zum einen warnt er den russischen Präsidenten eindringlich, Chemiewaffen in der Ukraine einzusetzen. „Das würde härteste Konsequenzen haben, und wir sind uns darüber einig, dass wir natürlich mit dramatischen Maßnahmen reagieren werden,“ so Scholz. Wie schon zuvor die Nato wollte sich Scholz jedoch nicht zu Einzelheiten solcher Konsequenzen äußern.
Deutschland will nach den Worten Scholz außerdem mehr für die Verteidigung tun. Das betreffe zum einen eine Bekennung zum zwei-Prozent-Ziel der Nato und zum anderen Investitionen in die Aufrüstung im Land. So prüft die Bundesregierung aktuell die Anschaffung eines Raketenabwehrsystems. „Das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten, und das aus gutem Grund“, sagte Scholz. Zuvor hatten Politiker der Ampel-Koalition den Kauf eines israelischen Raketenabwehrsystems für Deutschland ins Spiel gebracht.
>> Lesen Sie dazu: Olaf Scholz bei Anne Will – Bund prüft Anschaffung von Raketenabwehrsystem
EU droht Streit über Flüchtlingsverteilung
Der Europäischen Union droht angesichts der riesigen Fluchtbewegung aus der Ukraine neuer Streit über die Verteilung der Schutzsuchenden. Die Innenminister der 27 EU-Staaten beraten an diesem Montag (14.30 Uhr) in Brüssel über das gemeinsame Vorgehen.
Deutschland und Polen hatten sich zuvor mit einem dringenden Hilfsappell an die EU-Kommission gewandt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser dringt auf Quoten für die Flüchtlingsverteilung innerhalb Europas. Derlei Forderungen hatte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson jedoch bereits eine Absage erteilt.
Von den mehr als 44 Millionen Ukrainern haben seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine nach UN-Angaben bereits mehr als 3,8 Millionen Menschen das Land verlassen. Mehr als zwei Millionen sind allein in Polen angekommen, in Deutschland wurden dem Innenministerium zufolge rund 267.000 Flüchtlinge registriert.
„Man kann mit Sicherheit sagen, dass unsere Länder nun den Großteil der Anstrengungen unternehmen, um Menschen aus der Ukraine aufzunehmen und ihnen Schutz zu bieten“, heißt es in dem Temporary Faesers und ihres polnischen Kollegen Mariusz Kaminski an die EU-Kommission. „Es liegt auf der Hand, dass unsere Ressourcen und Aufnahmekapazitäten nicht ausreichen werden, um den wachsenden Zustrom von Menschen zu bewältigen.“ Das Treffen am Montag ist bereits die zweite kurzfristig einberufene Krisensitzung der Innenminister seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine am 24. Februar.
Mit Agenturmaterial.
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