Düsseldorf Kommende Woche wollen die Delegationen aus der Ukraine und Russland wieder persönlich miteinander verhandeln. Für Dienstag und Mittwoch sei ein Treffen geplant, schrieb der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski am Sonntag auf Telegram.
Auch der ukrainische Unterhändler David Arachamija bestätigte das Treffen auf Fb, sprach allerdings von einem Beginn am Montag. Gastgeberland solle die Türkei sein. Von türkischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.
Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar hatten Delegationen beider Länder mit Verhandlungen begonnen. Nach drei persönlichen Treffen im Grenzgebiet von Belarus wurden die Gespräche zuletzt in Videoschalten abgehalten.
Die Ukraine fordert in den Verhandlungen ein Ende des Krieges, den Abzug der russischen Truppen und neue Sicherheitsgarantien. Russland verlangt, dass Kiew auf einen Nato-Beitritt verzichtet, die Separatistengebiete im Osten des Landes als unabhängige Staaten sowie die russische Herrschaft über die annektierte Halbinsel Krim anerkennt. Zudem soll die Ukraine entmilitarisiert werden.
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Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat dem Westen am Sonntag mangelnden Mut vorgeworfen, seinen Truppen Kampfjets und Panzer zu liefern. Er beklagte ein „Hin und Her von wem und wie (Kampf-) Jets übergeben werden sollten“, während russische Raketenangriffe Zivilisten in seinem Land töteten.
Die Vereinten Nationen (UN) beziffern die Zahl der im Krieg umgekommenen Zivilisten auf mindestens 1119. Seit Kriegsbeginn seien bis zum 26. März 1790 Zivilisten verletzt worden. Unter den Toten seien 99 Kinder. Die tatsächlichen Opferzahlen seien wahrscheinlich beträchtlich höher. Zu Tode gekommen seien die meisten Zivilisten durch Explosivwaffen wie Artilleriebeschuss sowie Raketen- und anderen Luftangriffen.
Kämpfe um various Städte dauern an
Die russischen Angreifer versuchen sich nach ukrainischer Beobachtung derweil wegen angeblich schwerer Verluste umzugruppieren. Viele russische Verbände in Belarus seien deshalb in Bewegung, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Bericht am Sonntagmittag mit.
Ziel sei, geschrumpfte Verbände abzulösen, Nachschub an Lebensmitteln, Treibstoff und Munition zu liefern sowie verwundete und kranke Soldaten abzutransportieren. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Zugleich hieß es: „Der Feind setzt seine umfassende bewaffnete Aggression gegen die Ukraine fort.“ Russische Truppen versuchten weiter, die Stadt Tschernihiw im Norden einzunehmen. Im Südosten dauerten Kämpfe um die Städte Rubischne, Sjewjerodonezk und Mariupol an. Der Generalstab bestätigte zudem die am Samstag gemeldete Rückeroberung des wichtigen Ortes Trostjanez bei Sumy im Nordosten des Landes durch ukrainische Kräfte.
Russische Streitkräfte haben derweil nach Angaben aus Moskau ein großes Treibstofflager in der Nähe der westukrainischen Stadt Lwiw (früher Lemberg) zerstört. Aus dem Brennstoffdepot sei das ukrainische Militär im Westen des Landes und nahe Kiew versorgt worden, teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag in Moskau mit.
Mit von Flugzeugen und Kriegsschiffen abgefeuerten Raketen seien mehrere Militärobjekte in den Gebieten von Lwiw und Kiew zerstört worden, sagte der russische Generalmajor. Die russischen Aussagen decken sich mit ukrainischen Angaben vom Samstag.
Die regionale ukrainische Militärverwaltung hatte am Vortag drei heftige Explosionen am östlichen Stadtrand von Lwiw gemeldet. Am Himmel conflict eine dicke schwarze Rauchwolke zu sehen. Ein Treibstofflager sei getroffen worden, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj mit.
Er sprach von fünf Opfern, ohne weitere Particulars zu nennen. Zivile Infrastruktur sei nicht getroffen worden. Der Model des Treibstofflagers konnte nach Angaben des ukrainischen Zivilschutzes erst nach 14 Stunden am Sonntag gelöscht werden.
Referendum in Ostukraine: Militärgeheimdienst kündigt Guerillakrieg an
In der Hauptstadt Kiew hat der Krieg zu einem vorzeitigen Ende der Heizsaison geführt. Das habe die örtliche Militärverwaltung angeordnet, teilte die Stadtverwaltung am Sonntag mit. Wohnungen und Geschäftsgebäude sollen nicht mehr beheizt werden. Für Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und Kultureinrichtungen werde das Abschalten in Absprache mit deren Leitern geregelt.
In Kiew werden in den kommenden Nächten Temperaturen von ein bis drei Grad erwartet. Üblicherweise endet die Heizsaison im Fernwärmenetz Mitte April. Die Stadtverwaltung wies darauf hin, dass die Infrastruktur der Millionenstadt trotz des Krieges funktioniere. Notfallteams arbeiteten rund um die Uhr, um Schäden an Strom-, Heiz- oder Wassernetzen zu reparieren.
Diskussionen gibt es unterdessen um ein mögliches Referendum in den besetzten Gebieten des Landes über einen Beitritt zu Russland. Die Ukraine hat allerdings deutlich gemacht, dass sie diese nicht anerkennen wird: „Alle gefälschten Referenden in den vorübergehend besetzten Gebieten sind null und nichtig und werden keine Rechtsgültigkeit haben“, sagte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Sprecher reagierte damit auf Äußerungen eines Separatistenführers. „Ich denke, dass in naher Zukunft ein Referendum auf dem Territorium der Republik abgehalten werden wird“, hatte der dortige Anführer Leonid Passetschnik laut lokalen Medien zuvor gesagt. „Die Menschen werden von ihrem letztendlich verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen und ihre Meinung über den Beitritt zur Russischen Föderation zum Ausdruck bringen.“
Russland hatte kurz vor seinem Einmarsch in die Ukraine im Februar die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der ostukrainischen Separatisten-Area als unabhängig anerkannt. Das 2014 verhandelte Minsker Abkommen hatte damit seine Gültigkeit verloren, Putin begann so unter dem Vorwand eines angeblichen ukrainischen Angriffs auf die Gebiete den Krieg auf Kiew.
Moskau sei es nach mehr als einem Monat Krieg nicht gelungen, das ganze Land zu erobern, sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, am Sonntag. Daher werde nun versucht, eine von Russland kontrollierte Area zu schaffen.
Budanow kündigte an, dass die Ukraine bald einen Guerillakrieg in den von Russland besetzten Gebieten beginnen werde. „Dann wird es für die Russen nur noch ein einziges relevantes Szenario geben, nämlich wie sie überleben können“, sagte er zur Ankündigung des Referendums.
Deutschland diskutiert über Raketenschutzschild
Die nun veränderte Sicherheitslage in Europa hat in Deutschland Diskussionen um einen Raketenschutzschild ausgelöst. „Wir müssen uns besser vor der Bedrohung aus Russland schützen. Dafür brauchen wir schnell einen deutschlandweiten Raketenschutzschirm“, sagte der Hauptberichterstatter im Haushaltsausschuss für den Verteidigungsetat, Andreas Schwarz (SPD), der „Bild am Sonntag“. „Das israelische System „Arrow 3“ ist eine gute Lösung.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn hatten am Mittwoch darüber beraten, wie das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Stärkung der Truppe konkret verwendet werden soll. Die Zeitung berichtete, dabei sei es auch um eine mögliche Anschaffung des israelischen „Arrow 3“-Techniques gegangen. Eine Entscheidung sei aber noch nicht getroffen.
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Das Verteidigungsministerium erklärte auf Anfrage, der Entwurf des entsprechenden Wirtschaftsplans werde derzeit erstellt und in das laufende parlamentarische Verfahren eingebracht. „Zu dessen genauem Inhalt kann daher zurzeit keine Auskunft erfolgen“, teilte eine Sprecherin mit. Verteidigungspolitiker des Bundestags wollten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag nach Israel reisen und sich dort bis Donnerstag auch über Systeme der Luftabwehr informieren.
Das „Arrow“-System ist in der Lage, anfliegende ballistische Langstreckenraketen zu zerstören, und wirkt dazu sehr hoch über der Erde, bis in die Stratosphäre hinein. Das wäre eine neue Fähigkeit der Bundeswehr.
Deutschland und Polen wollen stärkere Verteilung von Geflüchteten
Angesichts der großen Fluchtbewegungen aus der Ukraine haben sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihr polnischer Kollege Mariusz Kaminski mit einem dringenden Hilfsappell an die EU-Kommission gewandt.
In einem Schreiben an Kommissionsvize Margaritis Schinas und Innenkommissarin Ylva Johansson dringen die beiden auf mehr Unterstützung bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die anderen EU-Staaten sowie auf finanzielle Hilfe.
So werden etwa ein Pauschalbetrag von 1000 Euro aus EU-Mitteln für jeden Aufgenommenen ins Spiel gebracht und mehr Koordinierung bei der Flüchtlingsverteilung gefordert. Am Montag wollen die Innenminister der EU-Staaten in Brüssel über den Umgang mit den Flüchtlingen beraten.
Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks bereits mehr als 3,8 Millionen Menschen das Land verlassen. Mehr als zwei Millionen sind allein in Polen angekommen, in Deutschland wurden dem Innenministerium zufolge rund 267.000 Flüchtlinge registriert.
Mit Agenturmaterial.
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