Mit den Wechseljahren beginnt für Frauen eine neue Lebensphase. Auch die Sexualität verändert sich. Die Auswirkungen sind nicht alle positiv. Dafür bieten sich jedoch neue Chancen.
Körperliche und psychische Beschwerden während der Wechseljahre bedeuten aber nicht automatisch das Ende der Sexualität. Im Gegenteil: Die Lebensphase bietet auch Chancen, Sexualität neu zu erfahren.
Wie das Liebesleben trotz möglicher Wechseljahrbeschwerden als erfüllend erlebt werden kann, erklärt Gabriele Aigner, klinische Sexologin und Systemische Sexualtherapeutin, im Gespräch mit t-online.
t-online: Welche Rolle spielt in Ihrer Praxis das Thema Sexualität während der Wechseljahre?
Gabriele Aigner: Sexualität während und nach den Wechseljahren spielt in meinen Beratungen eine bedeutende Rolle. Ab etwa der Mitte des Lebens verändert sich bei Frauen langsam die Hormonsituation. Die weiblichen Sexualhormone Progesteron und Östrogen nehmen kontinuierlich ab. Das beginnt bei einigen Frauen bereits ab Mitte 30. Die hormonellen Veränderungen wirken sich nicht nur auf den Körper aus, sondern beeinflussen auch das seelische Befinden von Frauen.
Was sind die häufigsten körperlichen Veränderungen, die sich während der Wechseljahre zeigen?
Mit den Wechseljahren kann es zu einer Vielzahl verschiedener Symptome kommen – muss aber nicht. Auch deren Intensität variiert von Frau zu Frau. Klassische Wechseljahrssymptome sind beispielsweise Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Leistungsschwankung, Gewichtszunahme, eine trockene Scheide und nachlassende Libido. Viele Frauen sind zudem anfälliger für Blasenentzündungen oder Pilzinfektionen – was der veränderten Scheidenflora geschuldet ist. Neben körperlichen Beschwerden können auch Stimmungsschwankungen auftreten. Frauen sind nervös oder gereizt. Das führt zu körperlich Unwohlsein – was sich auch in der Lust und Sexualität zeigt. Auch Männer kommen in die Wechseljahre. Man spricht dabei von Andropause. Sinkt das Testosteron, lässt auch bei manchem Mann die Libido nach oder es treten Erektionsstörungen auf.
Zur Person
Gabriele Aigner ist klinische Sexologin, Systemische Sexualtherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie Lebens- und Sozialberaterin sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft e. V. (DGSMTW). Die Expertin bietet in Ihren beiden Praxen in München und Flintsbach am Inn Einzel-, Paar- und Familienberatung sowie Workshops an.
Wie kann das Paar Sexualität weiterhin als erfüllend erleben?
Sexualität verändert sich unser Leben lang. In Adoleszenz und bis Mitte/ Ende 20 leben viele „Sturm und Drang“. Sie sammeln Erfahrungen, bis sie sich binden. Während einer Partnerschaft kann dann ein Kinderwunsch entstehen. Dann dient Sexualität der Fortpflanzung. Ist die Familiengründung erfüllt, wird Sexualität zum Ausdruck von Liebe, Zärtlichkeit, Zugehörigkeit und Nähe. Es geht weniger um körperliche Befriedigung, sondern mehr um seelische Erfüllung. Beide – Frau und Mann – brauchen länger, um „auf Touren zu kommen“. Eine Einladung an beide, sich mehr Zeit zu lassen und das Zusammensein an sich zu genießen, statt vorrangig den Orgasmus anzustreben.
Scheidentrockenheit ist ein Thema, das viele Frauen belastet. Was hilft?
Durch das Absinken des Östrogenspiegels verändert sich die Scheidenflora. Die Schleimhäute werden trockener, dünner und empfindlicher. Auch die Lubrikation (Feuchtwerden der Vagina) lässt nach. Zeitlassen und Auskosten des Vorspiels helfen ebenso wie die Verwendung von Gleitmitteln oder reinen Pflanzenölen wie Kokosöl, Sesamöl oder Sonnenblumenöl. Natürliche Öle sind frei von Duftstoffen und Zusätzen und für den empfindlichen Genitalbereich geeignet. Außerdem lassen sie sich auch als Massageöl nutzen. Östrogenhaltige Cremes können helfen, die Scheidenflora zu stabilisieren. Diese werden von Gynäkolog*innen verschrieben.
Was sind die größten Risiken für unerfüllte Sexualität?
Sexualität ist Kommunikation auf körperlicher Ebene. Beziehung und Sexualität brauchen Pflege und Aufmerksamkeit. Viele Paare verlieren sich irgendwann im Familienstress und in beruflichen Herausforderungen, laufen nebeneinander her und hören einander nicht mehr zu. Miteinander reden ist wichtig – nicht nur über Organisatorisches, sondern über sich selbst, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, was einen gerade bewegt, sorgt oder freut. Es ist wichtig, dass sich Paare immer wieder Zeit für Austausch und gemeinsames Erleben nehmen. Und auch dem anderen zwischendurch mal eine Freude machen, um zu zeigen: Ich denke an Dich und Du bist mir wichtig.
Gezieltes Dating zum Sex – hilft das?
Sex braucht Pflege und eine gewisse Regelmäßigkeit, damit er als erfüllend und die Partnerschaft als bereichernd wahrgenommen werden kann. Paare sollten sich zum Sex daten, wie sie sich auch zum Einkaufen, Joggen oder mit Freunden verabreden. Sonst geht Intimität im alltäglichen Zusammenleben leicht unter, wird immer wieder verschoben. Dann wird die Hürde immer höher, bis nur noch: „Wir sollten mal wieder“ aber keiner geht’s an, bleibt.