Tausende Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg werden jährlich in Deutschland entschärft. Ein solcher Einsatz ist jedes Mal mit großen Gefahren verbunden.
Wie läuft die Entschärfung ab, welche Gefahren birgt sie – und muss ich die Sperrzone in jedem Fall verlassen? Frank Pestel, technischer Einsatzleiter beim Kampfmittelbeseitigungsdienst in Brandenburg, gibt im Gespräch mit t-online Antworten.
t-online: Wie viele Weltkriegsbomben sind in Deutschland immer noch unentdeckt?
Frank Pestel: Es gibt keine offiziellen Zahlen dazu, wie viele Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg noch in Deutschland verstreut liegen. Vor allem in Großstädten – wie Hamburg, Berlin oder Köln – gibt es noch viele unentdeckte Bomben, aber auch im Ruhrgebiet, das damals heftig bombardiert wurde. Allein in Oranienburg vermutet man zum Beispiel noch circa 300 Bombenblindgänger. Eine deutschlandweit genaue Zahl ist aber nicht wirklich abschätzbar.
Wie wird eine Bombe entdeckt?
Zufallsfunde sind keine Seltenheit, oftmals bei Bauarbeiten. Plötzlich hat der Bagger die Bombe auf der Schaufel. Aber wir starten auch gezielte Suchen nach Weltkriegsblindgängern.
Blindgänger in Deutschland
Schätzungsweise befinden sich noch Blindgänger mit einer Gesamtmasse von bis zu 300.000 Tonnen im deutschen Boden. Rund 5.000 Bomben werden pro Jahr deutschlandweit entschärft.
Den Räumdiensten in Deutschland stehen Luftbilder der Alliierten zur Verfügung. Diese Aufnahmen sind ein sehr gutes Hilfsmittel, um mögliche Bomben zu lokalisieren. Die Kolleginnen und Kollegen werten die Daten mit technischer Hilfe aus und finden so Blindgänger, die sonst vielleicht niemals entdeckt worden wären. Auch durch Flächensondierungen vor Bauvorhaben werden solche Blindgänger gefunden.
Was passiert, wenn eine Bombe gefunden wird?
Dann wird es erst einmal unruhig. Denn grundsätzlich geht von einer Bombe immer erst einmal eine große Gefahr aus. Der Fund wird gemeldet und der Räumdienst rückt an. In einem ersten Schritt untersucht der Fachkundige, welchen Zünder die Bombe hat. Dann wird entschieden, ob sie sofort entschärft werden muss oder ob ein größeres Zeitfenster zur Verfügung steht.
Am gefährlichsten und besonders tückisch sind Langzeitzünder. Sie stellen ein großes Problem dar, weil man nicht weiß, wann sie detonieren. Man weiß nur, dass sie detonieren. Das ist ein Ritt auf der Rasierklinge, und dann ist Eile geboten.
Dann wird aus der Unruhe Chaos?
Nein, dann greift man auf die Ablaufpläne zurück – ruhig, aber bestimmt. Der Kampfmittelräumdienst unterstützt beratend die Ordnungsbehörde, und diese richtet einen Sperrkreis ein und bereitet die Evakuierung vor.
Wie wird entschieden, wie groß das Evakuierungsgebiet ist?
Grundsätzlich geht man von einem Radius von 1.000 Metern aus. Sicherheit steht immer an oberster Stelle. Ich kann diesen Radius jedoch verkleinern, indem ich bestimmte Vorsichtsmaßnahmen ergreife, zum Beispiel eine Abdeckung der Bombe oder eine Aufschüttung von Wällen. Der Einsatzleiter vor Ort empfiehlt der Ordnungsbehörde den notwendigen Sperrkreis, die ihn dann ihrerseits festlegt.
Und bei einer Evakuierung müssen alle Bürgerinnen und Bürger die Sperrzone verlassen?
Ja, alle müssen raus. Wenn sie sich weigern, kommen das Ordnungsamt und gegebenenfalls Polizeikräfte und bringen die Menschen, notfalls unter Zwang, aus dem Gebiet.
Kommt es oft zu einer solchen Situation?
Die meisten Menschen verlassen die Sperrzone von selbst. Aber es gibt immer wieder Bürgerinnen und Bürger, die es nicht tun – weil sie nichts von der Evakuierung mitbekommen haben oder weil sie uneinsichtig sind und denken, „es passiert ja eh nichts“.
Welche Gefahren birgt eine Entschärfung denn?
Gefährlich ist es immer. Die Bomben sind gebaut worden, um zu töten und zu zerstören. Bei einer Entschärfung kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren – etwa wenn verschiedene Materialien miteinander reagieren.