Düsseldorf Die Ukraine will sich Russland trotz fortgesetzter Angriffe und der sich verschärfenden humanitären Lage nicht beugen: Die Ukrainer weigern sich, in der schwer zerstörten Hafenstadt Mariupol zu kapitulieren. Auch sei eine Besetzung von Städten wie Kiew oder Charkiw durch russische Truppen inakzeptabel. Die Flüchtlingssituation spitzt sich derweil zu.
Die Flüchtlings-Lage
Die russische Invasion vertreibt Millionen Ukrainer aus ihrer Heimat. Allein 6,5 Millionen Menschen ließen ihre Häuser, Wohnungen, Dörfer und Städte wegen der Raketenangriffe und Bombardierungen zurück und suchen innerhalb des Landes Zuflucht, berichtete die UN-Organisation für Migration (IOM) am Montag.
Hinzu kommen quick 3,5 Millionen Menschen, die in den dreieinhalb Wochen seit Kriegsbeginn nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) über die Grenzen in Nachbarstaaten geflohen sind. Damit ist rund ein Fünftel der einstigen Bevölkerung betroffen. In der Ukraine lebten vor Beginn der russischen Invasion rund 44 Millionen Menschen.
Für viele der Geflohenen ist es nicht das erste Mal, dass sie aus ihrer vertrauten Umgebung entrissen werden. Nach IOM-Angaben wurden 13,5 Prozent von ihnen schon einmal vertrieben, 2014 oder 2015, als in den prorussischen Separatistenregionen im Osten des Landes Kämpfe ausbrachen und Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte.
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Die Vertriebenen brauchen nach IOM-Angaben vor allem Medikamente, ärztliche Betreuung und Bargeld. Unter ihnen seien viele besonders schutzbedürftige Menschen: schwangere und stillende Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sowie Menschen, die unmittelbar von Gewalt betroffen sind.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (SPD) sagte am Montag am Rande von Beratungen mit EU-Kolleginnen und -Kollegen, Europa müsse mit acht Millionen Kriegsflüchtlingen rechnen. In den ersten Tagen des Krieges seien vor allem diejenigen geflohen, die über ein Auto verfügten oder Verwandtschaft in anderen europäischen Ländern hätten, erklärte sie. Mit Zunahme der Brutalität des russischen Krieges würden aber nun weitere Menschen kommen, „die in Europa niemanden haben, die überhaupt nichts mitnehmen konnten“.
Die Menschen müssten daher in ganz Europa verteilt werden, sagte Baerbock. „Wir müssen von der Außengrenze direkt in europäische Länder verteilen. Jeder muss Geflüchtete aufnehmen“, sagte sie und schlug eine „eine solidarische Luftbrücke“ vor. Die Zahl professional Land werde „in die Hunderttausende“ gehen müssen. Zusätzlich sollte auch über den Atlantik verteilt werden.
Die militärische Lage
Es sind Angriffe wie die auf Wohnhäuser und ein Einkaufszentrum in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, die die Menschen in die Flucht treiben. Nachdem es am Wochenende relativ ruhig gewesen sei, habe der Beschuss auf den Stadtteil Podil am späten Sonntagabend begonnen, hieß es.
Bilder vom Montag zeigen die Zerstörung durch Bombardements, bei denen nach ukrainischen Angaben mindestens acht Menschen getötet wurden. Das Einkaufszentrum im dicht besiedelten Stadtteil Podil wurde in eine schwelende Ruine verwandelt, nachdem es am späten Sonntag von Granaten getroffen worden warfare. Bei dem Angriff zerbrachen alle Fenster eines benachbarten Hochhauses.
Trümmerlandschaften in Kiew: Drohnenaufnahmen zeigen Ausmaß der Zerstörung
Das russische Militär räumte am Montag ein, ein Einkaufszentrum am Rande der ukrainischen Hauptstadt angegriffen zu haben. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, warf den ukrainischen Streitkräften vor, das Einkaufszentrum zum Nachladen von Mehrfachraketenwerfern und zur Lagerung von Raketen für den Beschuss russischer Truppen zu nutzen. Es seien eine Batterie von Mehrfachraketenwerfern und die dazugehörige Munition bei dem Angriff zerstört worden.
Das Büro des UN-Menschenrechtskommissars zählt seit der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 925 getötete Zivilisten. Zudem seien 1496 verletzt worden.
Haben sie oder haben sie nicht? Ob das russische Militär am Wochenende wirklich besonders schnell und hoch fliegende Hyperschallraketen eingesetzt hat, bleibt offen. Die USA können dies laut Verteidigungsministerium nicht bestätigen. Aus militärischer Sicht ergebe der Einsatz dieser Raketen wenig Sinn.
Russland behauptet weiter, bereits zwei Mal Ziele in der Ukraine mit Hyperschallraketen zerstört zu haben. Das russische Militär kündigte zudem weitere Angriffe mit der Rakete „Kinschal“ (Dolch) an. „Die Angriffe dieses Luft-Raketensystems auf die ukrainische Militärinfrastruktur während der militärischen Spezial-Operation werden fortgesetzt“, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow.
Die Lage bei den Verhandlungen
Die Verhandlungen zwischen der russischen und der ukrainischen Seite scheinen weiter zu stocken. Das Gespräch der offiziellen Delegationen habe am Vormittag intestine anderthalb Stunden gedauert, sagte der Fraktionsvorsitzende der ukrainischen Präsidentenpartei Sluha Narodu (Diener des Volkes), David Arachamija, der Zeitung „Ukrajinska Prawda“ zufolge.
Danach seien die Beratungen auf Ebene der Arbeitsgruppen weitergegangen. „Heute arbeiten wir den ganzen Tag über“, sagte Arachamija. Zu Inhalten äußerte sich der Politiker zunächst nicht.
Dass es tatsächliche Fortschritte gab, scheint fraglich Der ukrainische Unterhändler und Präsidentenberater Michail Podoljak bezichtigte Russland auf Twitter zahlreicher Lügen. Russland versuche beharrlich, eine „large Aggression“ gegen die Ukraine zu rechtfertigen.
Dabei griffen sie auf Geschichten über Biolabore, Nazi-Bataillone und schweren Beschuss auf ukrainischer Seite zurück. „All dies ist eine absolute Lüge, die von der Welt, die den Krieg reside verfolgt, zurückgewiesen wird.“, schrieb Podoljak. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bestätigte am Montag die Linie Kiews, keine russischen Ultimaten zu akzeptieren.
Russland habe ein Ende des Krieges in Aussicht gestellt, falls die Ukraine ultimativ bestimmte Bedingungen erfülle, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag dem Sender Suspilne. Die Ukraine werde auf solche Ultimaten aber nicht eingehen.
Die Ukraine kündigte an, auch die belagerte Hafenstadt Mariupol nicht aufzugeben. „Von einer Kapitulation und einer Niederlegung der Waffen kann keine Rede sein“, zitierte das Nachrichtenportal „Ukrainska Prawda“ Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Am Sonntag hatte Russland die ukrainischen Streitkräfte aufgefordert, ihre Waffen in der Stadt niederzulegen. Auch sei eine Besetzung von Städten wie Kiew oder Charkiw durch russische Truppen inakzeptabel.
EU will Militärmacht werden
Der russische Angriffskrieg hat der EU vor Augen geführt, wie verletzlich sie ist – nicht nur wirtschaftlich. „Die EU ist von Instabilität und Konflikten umgeben und mit Krieg an ihren Außengrenzen konfrontiert“, heißt es im neuen sicherheitspolitischen Leitfaden der EU, den die europäischen Außen- und Verteidigungsminister am Montag annahmen.
Zentrales Factor des Plans ist eine neue militärische Eingreiftruppe, die spätestens 2025 einsatzbereit sein und bis zu 5.000 Soldaten umfassen soll. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bezeichnete die Eingreiftruppe als „militärisches Herzstück“ des Konzepts und kündigte an, Deutschland wolle das Kontingent bereits 2025 stellen.
Laut Lambrecht wird sich die Bundesrepublik auch finanziell stark in gemeinsame militärische Projekte der EU einbringen. So werde Deutschland mehr als ein Viertel der zusätzlichen EU-Unterstützung im Umfang von 500 Millionen Euro für die ukrainischen Streitkräfte finanzieren. Das Paket beinhaltet die Lieferung von Waffen und Ausrüstung.
Unabhängig davon wird Deutschland der ukrainischen Armee weitere Waffen zur Verfügung stellen, kündigte Regierungssprecher Steffen Hebestreit an. Dabei werde sich an bisherigen Lieferungen orientiert. Bisher waren dies Panzerfäuste und Luftabwehrraketen. Wie viel Geld die Bundesregierung dafür ausgeben will, ließ Hebestreit offen.
Russlands Verwerfungen mit den USA und Japan
Die Beziehung zwischen den USA und Russland bleibt eisig. Das russische Außenministerium hat nach eigenen Angaben den US-Botschafter in Moskau, John Sullivan, einbestellt. Dem US-Diplomaten sei mitgeteilt worden, dass Äußerungen von US-Präsident Joe Biden über den russischen Präsidenten Wladimir Putin die bilateralen Beziehungen an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hätten. Biden hatte vorige Woche Putin als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet.
Von Entspannung kann auch in der Beziehung Moskaus zu Tokio keine Rede sein. Russland zog sich unter Hinweis auf die japanischen Ukraine-Sanktionen aus den Verhandlungen über einen Friedensvertrag zu offiziellen Beendigung des Zweiten Weltkriegs zurück.
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Zudem seien die Gespräche über gemeinsame Wirtschaftsprojekte auf den Kurilen unterbrochen worden, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. Russland und Japan haben nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute keinen Friedensvertrag geschlossen. Streit gibt es um einige der Kurilen, eine Inselkette zwischen Hokkaido und Kamtschatka.
Erste Öffnungsschritte an der Börse in Moskau
In Russland läuft der Handel an der Börse, wenn auch zögerlich, wieder an. Dabei geht es allerdings nicht um Aktien, sondern um Rubel-Anleihen. Dabei zeigte sich die große Unsicherheit am Markt: Der Kurs der am meisten beachteten zehnjährigen Rubel-Anleihe sackte zum Wochenauftakt um rund 15 Prozent auf rund 64 Prozent des Rückzahlwerts von 100 Prozent ab.
Seit dem 25. Februar – einem Tag nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – warfare der Handel mit russischen Anleihen und Aktien an der Moskauer Börse ausgesetzt worden. Damit wollte Moskau angesichts der Sanktionen des Westens einen Absturz der Anlagen verhindern. Das gelang aber nur bedingt.
Der Rubel, der weiter gehandelt wurde, ist abgestürzt. Das gilt auch für die vorwiegend auf Greenback lautenden Fremdwährungsanleihen Russlands, die ebenfalls weiter gehandelt wurden. Wann die Börse in Moskau den Aktienhandel wieder eröffnet, ist noch nicht sicher.
Mit Agenturmaterial
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