Düsseldorf Am Dienstag wird in Brandenburg Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Am Standort Grünheide wird nicht weit außerhalb Berlins das erste Werk des Elektromobilitätspioniers Tesla in Europa eröffnet. Mit der „Gigafactory“ entsteht im Osten der Bundesrepublik nach zwei Jahren Bauzeit und zahllosen Genehmigungsverfahren ein neuer Automobilstandort.
Grund genug, dass nicht nur Tesla-Chef Elon Musk in die brandenburgische Provinz reist. Am Montagnachmittag landete der reichste Mensch der Welt in seinem Privatjet in Berlin-Schönefeld, direkt aus Texas kommend. Der Unternehmer trifft morgen in Grünheide auf Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sowie dessen Wirtschaftsminister Jörg Steinbach.
Doch warum die geballte Prominenz? Was genau ist hier östlich von Berlin entstanden? Welche Fahrzeuge werden von Tesla dort gebaut, wie viele Menschen finden Arbeit? Und was bedeutet der Ukrainekrieg für das Werk und seine Produktion? Die Antworten zu den wichtigsten Fragen zur Eröffnung von Teslas Gigafactory.
Was wird in Grünheide gebaut?
Erst mal ist es nur das Mannequin Y, das halb SUV und halb Limousine ist. Später könnte das Mannequin 3 dazukommen, die Limousine wird auf der gleichen Plattform gebaut. Das Mannequin Y ist das neuste Modell von Tesla, das vor zwei Jahren in die Produktion ging. Die Nachfrage ist hoch, die Wartezeit kann je nach Ausstattung bis zu zehn Monate betragen.
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Bislang produziert Tesla das Fahrzeug in China und Kalifornien, jetzt kommt Deutschland dazu. Ein Meilenstein für das Unternehmen, aber schon bald soll die Reihe auch in Texas produziert werden.
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Am Dienstag werden in Grünheide 30 Kunden ihr Mannequin Y Efficiency in Empfang nehmen. Das Fahrzeug ist mit 67.000 Euro die teuerste Modellvariante. Dafür kommt es in 3,7 Sekunden von null auf 100 km/h, das Mannequin Y Lengthy-Vary braucht dafür fünf Sekunden.
Das Tesla zuerst Fahrzeuge mit höherwertiger Ausstattung baut, ergibt betriebswirtschaftlich Sinn. Der Anbieter kann es sich erlauben, die Nachfrage ist hoch.
Entsprechend verlängert sich die Wartezeit für Kunden, die keine leistungsstärkeren Motoren oder andere Extras haben wollen. Für Tesla bleibt dabei direkt eine höhere Marge.
Wann läuft die Fabrik auf Hochtouren?
Die Auslieferung der ersten Fahrzeuge ist eher ein symbolischer Akt. Grünheide ist noch nicht so weit, jährlich 500.000 Fahrzeuge zu bauen.
Nach Ansicht von Experten braucht Tesla mindestens drei Monate, um die Produktion auf dieses Niveau hochzufahren. Maschinen müssen eingestellt, Mitarbeiter geschult und Lieferteile optimiert werden.
Dabei ist es für Tesla von Vorteil, dass es das Mannequin Y bereits produziert und die Verfahren kennt. Allerdings will das Unternehmen in Grünheide neue Fertigungsmethoden ausprobieren, um einen höheren Automatisierungsgrad zu erreichen. Das kann anfangs für Probleme sorgen.
Werden die Kinderkrankheiten behoben, wird Grünheide einen für die Branche hohen Output erreichen: ein Fahrzeug alle 45 Sekunden. Bei deutschen Herstellern liegt dieses Intervall aktuell bei 60 bis 70 Sekunden.
Wie viele Arbeitsplätze entstehen?
Anfangs struggle von 12.000 die Rede, jetzt werden es wohl 7000. Derzeit arbeiten in Grünheide nach Schätzungen der IG Metall bereits 2500 Menschen, 400 wurden von der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder) vermittelt – davon waren 250 zuvor beschäftigungslos.
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Dass Tesla bisher nur 2500 Menschen beschäftigt, spricht dafür, dass zum Anfang nur eine Produktionslinie aufgebaut wird – denn so viele Arbeiter braucht es nach Schätzung von Branchenexperten für die Produktion von 200.000 bis 250.000 Fahrzeugen.
Läuft die erste Linie reibungslos, wird sie gespiegelt. Zwei voneinander unabhängige Linien aufzubauen ist ökonomisch sinnvoll und entspricht dem üblichen Vorgehen der Branche.
Um 7000 Menschen zu beschäftigen, muss Tesla auch eine Batteriezellfabrik bauen. Das Gebäude für die Fertigung wird derzeit errichtet. Anfangs werden die Batterien und Batteriezellen angeliefert, beim erwartet hohen Produktionsvolumen wird das später zu aufwendig.
Kann der Ukrainekrieg ein Downside für Grünheide sein?
Auszuschließen ist das nicht, aber es ist unwahrscheinlich. „Tesla & Area X sehen derzeit signifikante Preissteigerungen bei Rohstoffen und Logistik“, schrieb Musk vor einer Woche auf Twitter.
Ein Grund dafür sind die Lieferschwierigkeiten aufgrund des Ukrainekriegs und der Sanktionen gegen Russland. So soll Tesla laut dem Börsensender CNBC Aluminium vom russischen Konzern Rusal in Grünheide genutzt haben. Allerdings ist Norsk Hydro aus Norwegen Hauptlieferant.
Die Preiserhöhungen und der Ausfall russischer Lieferanten für Nickel bereiten Elektroautoherstellern Sorge, das Metall wird vor allem für die Batterien gebraucht. Allerdings schloss Tesla in den vergangenen Jahren vorausschauend Lieferverträge mit mehreren Herstellern wie dem Giganten BHP aus Australien oder kleineren Anbietern wie Talon Metals in den USA ab.
Tesla stellt im Vergleich zu anderen Herstellern viele Teile selbst her, ist additionally insgesamt unabhängiger von Lieferanten. Das gilt auch für Halbleiter und andere Hightech-Komponenten. Aber die Rohstoffkrise geht auch nicht an dem Unternehmen vorbei: Es erhöhte vor wenigen Tagen seine Preise um bis zu zehn Prozent.
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