Vor über einem Jahr verschwand eine hochschwangere Nürnbergerin spurlos. Die Anklage geht von Mord aus. Aber lässt sich der beweisen?
Eine Schwangere aus Nürnberg verschwindet plötzlich, nachdem sie ihr Pflegekind zur Kita gebracht hat. Angehörige erhalten Abschiedsnachrichten von ihrem Handy. Hat sich die 39-jährige Alexandra R. ins Ausland abgesetzt?
Nicht nur die Angehörigen haben daran Zweifel, auch die Ermittler macht der Fall stutzig, zumal die Frau ihre Wohnung ohne Bargeld, Ausweise und Mutterpass verlassen hat. Sie gehen von Mord aus.
Mehr als ein Jahr später müssen sich nun der ehemalige Lebensgefährte der Frau und sein Geschäftspartner vor Gericht verantworten. Von der Leiche fehlt allerdings bis heute jede Spur – trotz großangelegter Suche.
Das Verschwinden der im achten Monat Schwangeren hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Monatelang beschäftige ihr Schicksal die Menschen. Das Landgericht in Nürnberg erwartet daher einen großen Andrang, wenn der Prozess gegen den 50-jährigen Mann aus Bosnien-Herzegowina und seinen deutschen Geschäftspartner am Dienstag (9.4.) beginnt.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern unter anderem Mord und Geiselnahme vor. Die Strafkammer geht von einer umfangreichen Beweisaufnahme aus und hat bis Ende Juli mehr als 30 Verhandlungstage angesetzt.
Ein entscheidender Punkt in dem Prozess könnte die fehlende Leiche sein. Diese sei ein wichtiges Beweismittel, erläutert Gerichtssprecherin Tina Haase. An dieser könne man zum Beispiel Abwehrspuren sehen und wie das Opfer tatsächlich zu Tode gekommen sei. Zudem schweigen die beiden Verdächtigen seit ihrer Verhaftung im September 2023 zu den Vorwürfen.
Immobiliengeschäfte und viel Geld
Dennoch ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, den Männern die Tat nachweisen zu können. Sie sollen die 39-Jährige im Dezember 2022 überwältigt, verschleppt und getötet haben. Nach dem Mord sollen sie Abschiedsnachrichten von ihrem Handy verschickt und dieses nach Italien gebracht haben, um eine falsche Spur zu legen.
Das Motiv war nach Ansicht der Anklagebehörde unter anderem ein Streit um viel Geld. Nach Überzeugung der Ermittler hatte der damalige Lebensgefährte das Geld der leitenden Bankangestellten für Immobiliengeschäfte genutzt, die über den zweiten Angeklagten, einen heute 48-Jährigen, liefen.
Nach der Trennung im März 2022 soll die Frau die Zusammenarbeit beendet und den Zugriff auf ihre Konten verweigert haben. Mit einem Vollstreckungstitel sollen die beiden Männer schließlich versucht haben, fast 785.000 Euro von der Frau einzufordern. Diese wehrte sich jedoch zivilrechtlich dagegen. Kurz vor der entscheidenden Verhandlung vor dem Landgericht verschwand sie.
Kann es überhaupt eine Verurteilung ohne Leiche geben?
Bundesweit gibt es immer wieder Mordprozesse, bei denen die Leiche fehlt. Ob dies den Nachweis der Tat erschwere, lasse sich nicht pauschal beantworten, sagt der Strafrechtler Tobias Kulhanek von der Universität Erlangen-Nürnberg. Das hängt immer vom konkreten Fall ab und davon, ob es andere eindeutige Beweise gibt. „Jeder Prozess steht für sich.“ Deshalb ließen sich auch keine Rückschlüsse aus anderen Prozessen ziehen, wie wahrscheinlich eine Verurteilung in dem Nürnberger Fall sei.
„Die Beweise in der Gesamtlage verdichten sich so, dass man zu einer Verurteilung kommen könnte“, sagt Gerichtssprecherin Haase. Dazu gehörten unter anderem DNA-Spuren, GPS-Daten von den Handys und Zeugen, die am Tag des Verschwindens das Auto der 39-Jährigen beobachtet hätten. Die Staatsanwaltschaft hat über 100 Zeugen und zehn Sachverständige benannt. „Entscheidend bleibt jedoch stets die finale Einschätzung des Gerichts“, sagt Kulhanek. Ob die Beweise ausreichen, um den Angeklagten den mutmaßlichen Mord nachzuweisen, wird sich erst am Ende des Prozesses zeigen.