Köln Beim weltgrößten Hersteller von Schoko-Nikoläusen steht das Band selten nonetheless: Seit Anfang Oktober werden bereits die Schoko-Osterhasen fürs nächste Frühjahr produziert. Jeweils 75 Millionen Figuren aus nachhaltigem Kakao sind es im Jahr. „Wir wären mit der Weihnachtssaison schon viel früher fertig gewesen, hätten wir ausreichend Rohstoffe und Materials gehabt“, erzählt Claus Cersovsky, Chef des Schokoladenproduzenten Rübezahl in dritter Era.
„Für das vierte Quartal haben wir um Milchpulver kämpfen müssen, Kartonage ist genauso knapp und teuer geworden.“ Auch Kakaobohnen sind schwer zu bekommen. „Die Ernten waren intestine, aber es fehlen Container, um Kakao nach Europa zu transportieren.“
Die weltweiten Logistikprobleme bereiten auch Sorgen beim Export, der sonst 40 Prozent des Geschäfts ausmacht. „Um unsere Nikoläuse nach Amerika zu verschiffen, finden wir kaum Container – und wenn nur zu Preisen, die sämtliche Kalkulationen sprengen“, sagt Peter Riegelein, Schokoladenfabrikant in zweiter Era. „Wem nutzen unsere Schoko-Weihnachtsmänner, wenn das Fest vorbei ist?“ Der 63-Jährige ist froh, dass die beiden Schokohersteller gemeinsam die Coronakrise bewältigen. „Unsere Fusion hat uns schon geholfen, um sich am Markt zu behaupten und an knappes Materials zu kommen.“
66 Jahre lang waren Riegelein und Rübezahl erbitterte Konkurrenten im Markt für „Vollmilchschokoladen-Hohlkörper“. Im April 2019 schlossen sich die Familienunternehmen zusammen. Denn der Wettbewerb wuchs beständig. Internationale Großunternehmen wie Mondelez (Milka), Ferrero (Kinderschokolade) und Lindt haben das Geschäft mit Osterhasen, Nikoläusen und Schoko-Adventskalendern für sich entdeckt.
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Hinzu kam: „Unsere Unternehmen wurden vom Handel gerne gegeneinander ausgespielt – und dessen Einkaufsmacht wird immer größer“, so Riegelein. „Als Mittelständler braucht man eine kritische Größe, um im Markt weiter mitspielen zu können.“ Cersovsky ergänzt: „Jedes Unternehmen allein warfare nicht groß genug für die Zukunft.“
Immer häufiger schließen sich inhabergeführte Familienunternehmen in umkämpften Märkten zusammen: Die Wursthersteller Reinert und Kemper fusionierten 2019 zu The Household Butchers. Denn Großschlachter wie Tönnies sind mit der Zur-Mühlen-Gruppe im margenschwachen Markt tätig. Die Buchhandlungen Thalia und Mayersche taten sich 2019 unter der Führung von Thalia zusammen, 2020 kam Osiander hinzu. Gemeinsam wollen sie sich besser gegen den Onlinehändler Amazon behaupten.
„Zusammenschluss unter Gleichen auf Augenhöhe“
Den ersten Schritt zur Fusion der Schokoproduzenten machte Peter Riegelein kurz vor Weihnachten 2018. Seine Firma hatte 2017 Verluste geschrieben, und er schlug der Familie Cersovsky einen Zusammenschluss vor. „Bis Ostern waren wir uns einig, wir kannten uns ja vom Markt her“, so Cersovsky, 58. Beide Firmen taten sich unter dem Dach von Gubor zusammen. Die Schwarzwälder Schokoladenmarke hatte Familie Cersovsky 2008 aus der Insolvenz gekauft. Gubor hält 100 Prozent an Rübezahl und 51 Prozent an Riegelein.
Rein rechtlich hat Gubor die Mehrheit von Riegelein übernommen. „Gelebt wird aber ein Zusammenschluss unter Gleichen auf Augenhöhe“, betont Cersovsky. Er ist Vorstand der Gubor-Geschäftsleitung und leitet das Geschäft mit Handelsmarken. Peter Riegelein verstärkt gemeinsam mit Rüdiger Bonner das Gubor-Gremium und ist als geschäftsführender Gesellschafter für das Markengeschäft zuständig. „Jeder macht das, was er am besten kann“, so Riegelein.
Rübezahl sitzt in Dettingen unter Teck bei Stuttgart. Gründer Josef Cersovsky stammte aus dem Riesengebirge und benannte seine Schokoladenfirma 1949 nach dem Berggeist. 1994 wollten sich die Gründerenkel Claus und Oliver Cersovsky vom Saisongeschäft unabhängiger machen – zum Beispiel mit schokoliertem Puffreis, den schon ihr Großvater hergestellt hatte. Sunrice hat heute einen Marktanteil von 40 Prozent. Bei Saisonware hatte sich Rübezahl vor allem auf Handelsmarken spezialisiert. Vor der Fusion machte der Weltmarktführer für Schokofiguren mit 700 Mitarbeitern rund 180 Millionen Euro Umsatz.
Riegelein wurde 1953 in Cadolzburg bei Nürnberg gegründet. 1991 kam die sächsische Schokoladenfabrik Kathleen dazu. 2014 folgte mit der Mehrheitsbeteiligung an Chocri in Berlin der Eintritt in den Onlinehandel. Deutschlands größte On-line-Confiserie ist Marktführer für handbestreute Manufaktur-Schokolade. „Chocri ist unser Ideenlabor“, so Riegelein. „Der Markt verlangt zu Recht mehr Innovationen.“ Vor der Fusion beschäftigte der Markenhersteller rund 800 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 120 Millionen Euro.
Von Saison- zu Ganzjahresartikeln
„Da haben sich zwei gute Unternehmer zusammengetan“, meint Bastian Fassin, geschäftsführender Gesellschafter von Katjes. „Wenn man größer ist, hat man auf der Kostenseite, aber auch auf der Absatzseite sicher Vorteile.“ „Wir ergänzen uns wie Ying und Yang“, meint Riegelein. „Ich bin eher der spontane Bauchmensch“, sagt Cersovsky über sich. „Peter Riegelein ist eher der Analytiker.“ Einkauf, Advertising, Vertrieb, IT und Logistik laufen nun gemeinsam.
„Nach innen ist die Integration Kärrnerarbeit, da läuft noch nicht alles rund“, so Riegelein. Ein Stellenabbau warfare unvermeidlich, sagen beide Unternehmer. Zum einen bei Doppelfunktionen, zum anderen bei zwei nicht zukunftsfähigen Werken von Riegelein. Im März wurde der Standort in Tschechien mit rund 100 Mitarbeitern geschlossen, im April 2022 folgt die Kathleen-Schokoladenfabrik im sächsischen Niederoderwitz mit etwa 160 Beschäftigten.
Die Schließungen seien den Unternehmern nicht leichtgefallen, jedoch zwei Jahre im Voraus angekündigt worden. Es gab zudem Stellenangebote in anderen Fabriken der Gruppe. „Das Werk ist in die Jahre gekommen und das Geschäft zu stark saison- und exportabhängig“, begründet Cersovsky den Schritt.
„Um unsere Mitarbeiter das ganze Jahr auslasten zu können und die Automatisierung voranzutreiben, brauchen wir mehr Jahresartikel“, betont er. Neben Puffreis werden bereits schokodragierte Erdnüsse und Schokorosinen als Handelsmarken sowie Katzenzungen vertrieben.
Immerhin essen die Deutschen das ganze Jahr Schokolade – im Schnitt 9,2 Kilo, ermittelte der Verband Choco Suisse. Kürzlich übernahmen die Schokofabrikanten die Mehrheit am Eiskonfekt-Hersteller Eichetti. Printenhersteller Lambertz hat vorgemacht, wie man sein Sortiment saisonunabhängiger macht. Die Aachener sind heute Deutschlands größter Biokeks-Bäcker.
Ganzjahresartikel bringen erst 20 bis 25 Prozent vom Umsatz der Franken und Schwaben ein. Der sank im Geschäftsjahr 2019/2020 auf 280 Millionen Euro. Der operative Gewinn lag auf der Nulllinie. „Dieses Jahr haben wir zumindest Menge wieder gutgemacht“, so Cersovsky.
Die explodierenden Kosten drücken auf das traditionell margenschwache Geschäft. Das Ostergeschäft ist schon lange ausverhandelt. Für Weihnachten 2022 beginnen bald die Preisgespräche mit dem Handel. „Es geht nicht ohne ordentliche Preiserhöhungen im hohen einstelligen, wenn nicht sogar im zweistelligen Bereich“, sagt Cersovsky. Der Handel wolle günstig einkaufen. „Aber wir Hersteller wollen und müssen wenigstens unsere Zusatzkosten erwirtschaften.“
Denn auch in Zukunft sollen Rübezahl und Riegelein in Familienhand bleiben: „Auch wenn das Geschäft mit Schokolade kein Zuckerschlecken ist.“
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