Erst seit einem Jahr führt er ein Restaurant. Doch schon jetzt schafft Fabien Ferré, was die meisten Spitzenköche ihr ganzes Leben lang nicht schaffen: Er holt drei Sterne.
Er konnte es nicht fassen. Als die Tester des Guide Michelin, der Bibel für Feinschmecker, die höchste Auszeichnung der französischen Restaurantszene vergaben, hatten sie dort auch einen Mann auf der Liste, mit dem kaum einer gerechnet hatte, am wenigsten er selbst. Fabien Ferré. Der 35-jährige Franzose erhielt auf Anhieb drei Sterne – und damit jene Meriten, um die andere Köche ihr ganzes Leben lang vergeblich kämpfen.
„Im Reden bin ich nicht so gut“, sagte der frisch Gekürte auf der Bühne in der Kongresshalle von Tours, „am Herd bin ich besser“. Dann streifte er die Kochjacke mit den drei gestickten Michelin-Sternen über und ließ sich von seiner Brigade hochleben. „Ich hätte mir niemals träumen lassen, mit der größten Auszeichnung hier zu stehen“, sagte er. Nun zählt er zu einem exklusiven Zirkel von nur 138 Drei-Sterne-Köchen (Stand 2023) weltweit.
Ferré ist kein Unbekannter in der französischen Gastronomie. Seine Ausbildung absolvierte er in den besten Restaurants des Landes. Seit Jahren kochte er an der Seite von Christophe Bacquié im Restaurant La Table du Castellet. Das Restaurant befindet sich im Fünf-Sterne-Hotel Hotel de Castellet direkt an der gleichnamigen Motorsport-Rennstrecke in der Provence. Bacquié war 2018 ebenfalls mit drei Sternen ausgezeichnet worden, hörte im vergangenen Jahr jedoch auf und übergab den Stab an seinen Souschef Ferré.
Auf der Karte stehen Kaisergranaten mit Rhabarber
„Ich wusste, dass er diese Auszeichnung eines Tages holen würde“, sagte Bacquié nun in Tours. „Aber dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht.“ Bacquié nennt seinen Schützling einen „brillanten Jungen“, der immer auf der Suche nach einer tiefgründigen, balancierten Aromenküche sei.
Tatsächlich führt Ferré das La Table du Castellet erst seit dem Stabwechsel vor einem Jahr als Chefkoch. Der Wechsel in der Führung des Restaurants ist für den Guide Michelin gleichbedeutend mit einer Neueröffnung und auf Anhieb drei Michelin-Sterne zu erringen, das kommt nur äußerst selten vor. In den vergangenen 30 Jahren gelang dieses Kunststück nur drei Köchen, zuletzt 2022 Arnaud Donckele vom Restaurant Cheval Blanc in Paris.
Ferré zählt zur jungen Generation von Spitzenköchen, die sich auf eine regionale Küche mit saisonalen Zutaten spezialisiert haben. Er bietet zwei Menüs an, die vor allem aus regionalen Produkten der Provence zubereitet sind. Zu seinen Spezialitäten zählen Fische und Schalentiere, etwa Kaisergranat, den er mit Rhabarber anrichtet.
Die Leidenschaft für das Essen und für hochwertige Produkte liegt Ferré im Blut. Er stammt aus einer Familie von Konditoren und Landwirten aus dem Burgund. Sich selbst und sein Metier präsentiert er auch in den sozialen Medien, etwa bei Instagram, wo er Einblicke in seine Küchenarbeit und die aktuellen Menüs gewährt.
Keine Frau unter den höchsten Preisträgern
Bei der Michelin-Preisverleihung im Loiretal waren 500 Spitzenköche aus Frankreich eingeladen. Die Gastronomie zählt in Frankreich zum kulturellen Erbe, sie ist ein Teil der nationalen Identität. Das Nachbarland legt traditionell großen Wert auf seine Spitzenküche. Diese war in den vergangenen Jahren jedoch nach Meinung vieler Beobachter ins Hintertreffen geraten. Zu altbacken, zu wenig dynamisch.
Der Jahrgang 2024 ist nach Meinung des Guide Michelin ein Beleg für eine Renaissance: „Die französische Gastronomie gehört nicht der Vergangenheit an“, sagte Gwendall Poullennec dem französischen Sender France3. „Wir zehren nicht mehr nur von unserem kulinarischen Erbe“.