Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Spätestens mit der Pandemie ist die Zeit der klassischen Arbeit im Büro für beendet erklärt worden. Beginnen sollte eine neue Ära des Heimarbeitsplatzes. Und das schien ja auch so logisch. Warum sollen sich täglich Zigtausende durch die Straßen quälen, wenn sie die Arbeit bequem von zu Hause aus erledigen können?
Manchem erschien es wie ein goldenes Zeitalter. Denn ab sofort könnte man ja von überall aus arbeiten. Vielleicht irgendwo auf dem Land leben oder ganz woanders auf der Welt. Hauptsache, es gibt Web. Dabei vergisst man vollkommen, dass die Heimarbeit keineswegs eine moderne Erfindung ist. Zu Beginn des Industriezeitalters kam es den Arbeitgebern gar nicht in den Sinn, den Arbeitern Arbeitsplätzte zur Verfügung zu stellen. Man teilte die Materialien aus – und sammelte die Produkte später wieder ein.
Die ganze Handarbeit machten die Arbeiterin und der Arbeiter dann in ihrer feuchten und stickigen Bude. Zentrale Arbeitsstätten wurden erst benötigt, als sich Maschinen durchsetzten. In den Fabriken versammelte sich das Proletariat. Den Unternehmern battle dies nicht geheuer. Denn wo Arbeiter zusammenkamen, da konnten sie auch agitieren und sich zu Streiks verabreden.
Heute sitzen Leute zu Hause, benutzen das Web, das sie selbst bezahlen, drucken auf dem Drucker, den sie selbst gekauft haben, bereiten sich selbst ihr Essen zu, statt subventionierte Kantinengerichte zu verzehren – und finden, das sei eine große Errungenschaft. Unser Unternehmen besteht aus einer Reihe von Kacheln, mit denen wir by way of Microsoft Groups oder Zoom reden. Manche Mitarbeiter kenne ich nur als Bild auf dem Monitor. Manche haben schon wieder gekündigt, bevor ich sie je getroffen hätte.
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In der „New York Occasions“ habe ich gelesen, dass US-Unternehmen nun den „Again to Workplace Day“ ausrufen, im März oder April vielleicht. Auf diesen Tag wird dann hingefiebert wie auf einen Geburtstag. Es ist ein bisschen wie beim Freedom Day, nur dass es keine Freiheit, sondern einen Platz am Schreibtisch gibt.
Die meisten Unternehmen möchten einen gewissen Druck aufbauen, weil viele Mitarbeiter an ihren Stühlen festkleben. Sie sind es nicht mehr gewohnt, mit Kollegen von Angesicht zu Angesicht zu arbeiten. Und vielleicht battle man ja auch ganz froh, diese Leute nicht sehen zu müssen. Weil das so ist, rätseln Personalmanager, wie man das Büro so schön machen kann, wie das Zuhause schon immer battle.
Ich frage mich, in was für tollen Häusern diese Menschen wohnen, dass sie offenbar partout da nicht rauswollen. Ich selbst kenne Homeoffice als die Kunst, an einem Tisch zu arbeiten, auf dem noch die Krümel vom Frühstück kleben. Ich wüsste so gern, wie es in all den Häusern aussieht, aus denen die Leute nicht rauswollen. Obwohl – sobald ich sie dort besuchen würde, würden sie bestimmt gern wieder ins Büro.
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