Ein neues Zentrum in München bietet trauernden Kindern und Jugendlichen einen Rückzugsort. Die Nicolaidis YoungWings Stiftung eröffnet das Sternenhaus.
Das Leben von Martina Münch-Nicolaidis wird durch einen Anruf im April 1997 von einem Tag auf den nächsten aus den Angeln gehoben. Am Telefon erfährt sie, dass ihr Ehemann bei einem Autounfall in Griechenland tödlich verunglückt ist. „Mich hat es damals mit voller Wucht aus dem Leben katapultiert“, hat Martina Münch-Nicolaidis einmal gesagt. Und doch ist dieser Schicksalstag zugleich der Anstoß für das, was später zu ihrer Lebensaufgabe werden wird.
Denn inmitten ihres Leids stellt die 29-jährige Mutter fest, dass es für junge Trauernde wie sie keine passenden Hilfsangebote gibt. In der Folge gründet sie eine Selbsthilfegruppe, 1999 wird daraus ein Verein und 2002 eine Stiftung, die heutige Nicolaidis YoungWings Stiftung. Diese unterstützt seit 25 Jahren junge Trauernde in München und ganz Bayern mit verschiedenen Angeboten. Und die wiederum sind nun erstmals unter einem Dach vereint – im sogenannten Sternenhaus, einem 12,5 Millionen Euro teuren Neubau im Münchner Stadtteil Au.
Der große Traum von Martina Münch-Nicolaidis
Ein solcher „Ort der Zuversicht“ für Kinder und Jugendliche, die Angehörige verloren haben, sowie für junge Erwachsene, deren Partner verstorben ist, war der große Traum von Martina Münch-Nicolaidis. Und doch ist die Stiftungsgründerin bei der Eröffnung des Sternenhauses nur in Form von Fotos zugegen. Münch-Nicolaidis ist 2022 nach schwerer Krankheit gestorben.
Insofern sei dieser Tag der Freude auch ein schmerzhafter Tag, sagt Lana Reb, die zusammen mit Karin Neumeier die Stiftung leitet. „Mit Wehmut denken wir daran, dass Martina diesen Moment nicht miterleben kann, nachdem sie so viele Jahre von diesem Haus geträumt hat.“ Und doch ist Reb überzeugt: „Sie wäre glücklich, wenn sie sehen würde, wie es geworden ist.“
Der Stiftung zufolge ist das Sternenhaus die bundesweit einzige Einrichtung ihrer Art. Auf fünf Etagen finden junge Menschen, die um einen Angehörigen trauern, hier Selbsthilfegruppen und Einzelbegleitung sowie zahllose Angebote wie Yogakurse, Schreib- und Malwerkstätten. Hinzu kommt eine Beratung bei rechtlichen und finanziellen Fragen. Junge Trauernde verspürten oft eine große Hoffnungslosigkeit, sagt Lara Reb.
Fußballstar Thomas Müller wirbt für das Projekt als Botschafter
„Manchen erscheint ein Weiterleben unmöglich“, so Reb. Diese Menschen bräuchten keine Ratschläge und keine Lösungen, „sondern einen sicheren Ort und einen Raum für ihre Trauer“. Überdies benötigten sie professionelle Begleitung, die Begegnung mit gleichaltrigen Trauernden sei für viele ebenfalls hilfreich. All das vereine das Sternenhaus unter einem Dach – und auch darauf.
Denn neben Beratungsräumen, Werkstätten und einem Café gibt es auf der überglasten Dachterrasse einen Sternengarten zum Verweilen. Die Einrichtung sei ein bundesweites „Leuchtturmprojekt“, sagt Alexandra Schörghuber, Vorsitzende der Stefan Schörghuber Stiftung, die mit der Spende des Grundstücks das Fundament für den Bau des Sternenhauses gelegt hat.
Der Tod eines Kindes oder Partners sei „der schmerzlichste Verlust, den man erleiden kann“, sagt die Unternehmerin, deren Mann 2008 im Alter von 47 Jahren an einem Herzinfarkt starb. Ihr zufolge ist der Bedarf an Hilfsangeboten für junge Trauernde groß: „Eigentlich bräuchten wir zehn Sternenhäuser.“ Jene „Pioniertat“ in der Au ist fast ausschließlich durch Spenden und Zuschüsse finanziert worden. Unter anderem wirbt Fußballer Thomas Müller als Botschafter für das Projekt.
„Ein blinder Fleck in München, den wir bisher hatten“
„Man muss nicht selbst betroffen sein, um das Sternenhaus zu unterstützen“, betont der Bayern-Profi. „Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die den Verlust eines nahestehenden Menschen erlebt haben, verdienen die Aufmerksamkeit und Unterstützung von uns allen.“
Ganz ähnlich äußert sich bei der Eröffnung Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er betont: „Ich bin froh, dass das Sternenhaus einen blinden Fleck in München füllt, den wir bisher hatten.“
Überdies soll die Einrichtung laut der Stiftung den Themen Tod und Trauer zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen – ganz im Sinne ihrer Gründerin Martina Münch-Nicolaidis. So sagte sie 2020 in einem Interview: „Das Sternenhaus wird dabei helfen, ein Thema sichtbarer zu machen, das in unserer Gesellschaft noch nicht so sichtbar ist, wie es sein sollte.“