Erst kürzlich verlängerte der Deutsche Handballbund den Vertrag mit Bundestrainer Alfred Gíslason. Trotzdem könnte er seinen Job schon bald los sein.
Mit der gewohnt stoischen Ruhe antwortete Handball-Bundestrainer Alfred Gíslason auf die Fragen der Journalisten. „Überhaupt nicht“, sagte der Isländer etwa auf die Frage, ob er angesichts der anstehenden Olympia-Qualifikation denn Druck verspüre.
Nur wer Gíslasons ruhiges Gemüt kennt, wird von dieser Antwort nicht überrascht sein. Denn bei dem Qualifikationsturnier in Hannover geht es zumindest für den Isländer dieser Tage um deutlich mehr als nur die ebenjene Qualifikation für die Spiele im Sommer – es geht um nichts weniger als seinen Job.
Vertragsverlängerung unter einer Bedingung
Zwar haben der Deutsche Handballbund (DHB) und Gíslason gerade erst eine Vertragsverlängerung bis einschließlich der Heim-Weltmeisterschaft 2027 ausgehandelt. Die greift aber nur, sollte die deutsche Mannschaft die Olympia-Qualifikation schaffen.
Dafür muss das Team um Kapitän Johannes Golla in einer Gruppe mit Algerien, Kroatien und Österreich mindestens den zweiten Platz belegen. Schaffen sie das nicht, dann wären die drei Duelle in Hannover Gíslasons letzte als Bundestrainer.
Gíslasons Bilanz ist gut
Auf den ersten Blick wirkt dieses Vorgehen doch etwas verwunderlich. Schließlich hat sich die deutsche Mannschaft bei den Turnieren unter der Leitung Gíslasons stetig gesteigert. Er übernahm die Mannschaft im Februar 2020. Bei der Weltmeisterschaft 2021 erreichte das DHB-Team Platz zwölf, bei der Europameisterschaft 2022 Platz sieben, bei der WM 2023 Platz fünf und nun bei der Heim-EM im Januar Platz vier. Hinzu kommt die Viertelfinal-Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Tokio. Das alles erreichte er mit einer Mannschaft, die er zunehmend verjüngt hat. Für eine Beendigung der Zusammenarbeit gibt es also wenig Gründe.
Dennoch rechtfertigt DHB-Sportvorstand Axel Kromer den leistungsbezogenen Vertrag. Die Verlängerung bis 2027 sei „ein klarer Vertrauensbeweis“, sagte er beim Abschlusstraining der deutschen Mannschaft am Mittwoch auf t-online-Nachfrage. „Wir haben einen Vertrag gemacht, in dem – wie überall bei Trainerverträgen – geregelt ist, was es im Falle von verschiedenen Konstellationen für Regelungen gibt“, führte er aus. „Die Konstellation, dass wir jetzt bei der Olympia-Qualifikation nicht erfolgreich sind, die ist eben auch definiert worden.“
Kromer: Kein Grund zur Aufregung
Diese Bedingung solle aber „gar nicht für Aufregung sorgen, denn sowohl er als auch wir bekennen uns dazu, dass wir Favorit sein werden.“ Deshalb sei das Thema „keinen Fokus mehr wert.“
Auch Gíslason selbst bemüht sich, die Aufregung so gering wie möglich zu halten. „Ich bin ja gefühlte 50 Jahre Trainer“, sagte er und betonte, dass es ihm nicht besonders wichtig gewesen sei, den Vertrag noch vor dem Turnier zu verlängern. „Wenn es doch noch schiefgeht, ist es normal in diesem Geschäft. Das ist für mich kein Problem“, beteuerte der 64-Jährige.
„Er ist mit allen Wassern gewaschen“
Für Kromer kommt diese Einstellung des Trainers nicht überraschend: „Zum einen ist Alfred natürlich selbstbewusst. Er hat eine gute Mannschaft und wir haben ein Heimturnier“, sagte er. „Zum anderen ist er – wie er auch selbst sagt – mit allen Wassern gewaschen.“ Deshalb sei es für Gíslason auch nicht überraschend, dass es auch bei der Nationalmannschaft leistungsbezogene Verträge gebe.
Sein Selbstbewusstsein dürfte Gíslason auch aus dem Rückhalt der Mannschaft ziehen. Die steht nämlich bedingungslos hinter ihrem Trainer. Erst kürzlich sagte Torwart Andreas Wolff der „Stuttgarter Zeitung“: „Für ihn spricht seine massive Erfahrung, die er vor allem den jungen Spielern mitgeben kann.“ Gíslason kenne „alle Facetten unseres Sports. Er macht seinen Job souverän und unaufgeregt und ist ein Leuchtturm während der großen Turniere.“
Routiniers fallen aus
Bleibt nur zu hoffen, dass die Mannschaft auch ihr volles Potenzial abruft. Immerhin hat sie noch mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Nachdem sich mit Patrick Groetzki einer der wenigen verbliebenen Routiniers schon vor der EM verletzt hatte und immer noch ausfällt, fehlt nun mit Kai Häfner auch sein „Nachfolger“ als erfahrenster Spieler aufgrund einer Verletzung. Grund zur Sorge sieht Kromer aber nicht.