Die Union will es im Streit über Marschflugkörper an die Ukraine noch mal wissen. Dass ihr Antrag auf Lieferung des Taurus eine Mehrheit bekommt, ist aber immer unwahrscheinlicher geworden.
Vor der von der Union beantragten erneuten Abstimmung über eine Lieferung deutscher Marschflugkörper in die Ukraine haben die Ampel-Partner eine gemeinsame Linie trotz des Grundsatzstreits über den Taurus abgesichert. Dass der von der Union eingebrachte Antrag im Bundestag heute eine Mehrheit finden könnte, gilt als ausgeschlossen.
Führende Politiker von Grünen und FDP bekräftigten Forderungen nach einer Lieferung, machten aber deutlich, dass die Koalitionsdisziplin bis auf einzelne Abweichler eingehalten werde. Aus der SPD wurde Kanzler Olaf Scholz der Rücken gestärkt.
Scholz hatte der Lieferung des Waffensystems am Vortag erneut eine klare Absage erteilt. „Besonnenheit ist nicht etwas, was man als Schwäche qualifizieren kann, wie einige das tun, sondern Besonnenheit ist das, worauf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einen Anspruch haben“, sagte der SPD-Politiker im Bundestag und warf der Union vor, in der Debatte „Halbwahrheiten“ zu verbreiten.
Röttgen zu Scholz: „Sie spielen nicht mit klaren Karten“
Für die CDU/CSU wies der CDU-Politiker Norbert Röttgen diesen Vorwurf zurück. „Sie spielen nicht mit klaren Karten. Und Sie zielen darauf ab, die Öffentlichkeit in dieser Frage zu täuschen – in einer Frage der europäischen und nationalen Sicherheit.“
Die Ukraine hat die Flugkörper mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern bereits im vergangenen Mai von Deutschland erbeten. Experten verweisen darauf, dass der Marschflugkörper ähnlichen Waffen aus Frankreich und Großbritannien – die bereits geliefert werden – bei Reichweite und Treffgenauigkeit überlegen ist.
Scholz lehnte eine Lieferung wiederholt ab und äußerte die Befürchtung, Deutschland könne durch den Einsatz der Raketen in den Krieg hineingezogen werden. Innerhalb der Bundesregierung drängen Vertreter von Grünen und FDP auf eine Lieferung.
Dürr: Symbolische Anträge bringen uns nicht weiter
Die FDP-Bundestagsfraktion befürwortet nach den Worten ihres Vorsitzenden Christian Dürr zwar eine Taurus-Lieferung, wird dem Unionsantrag hierzu aber nicht zustimmen. „Wir halten es für richtig in der Sache, keine Frage, aber diese symbolischen Anträge bringen uns in Wahrheit ja nicht weiter“, hatte Dürr am Dienstag gesagt.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verteidigte Scholz und warf der Union vor, das Thema für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. „Mir ist ein Regierungschef ganz lieb, der gerade bei Themen wie Krieg und Frieden besonnen agiert – auch wenn ich persönlich beim Taurus eine andere Meinung habe. Es ist ärgerlich, wenn die Union dieses Thema für parteipolitische Zwecke missbraucht“, sagte Djir-Sarai der „Welt“. Es gehe der Union nicht um die Ukraine, sondern einzig um Parteitaktik. „Vor dem Hintergrund der ernsten Situation in Europa ist das schäbig.“
Zustimmung von Strack-Zimmermann und Kubicki?
Für den Unionsantrag wollte zuletzt erneut die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann votieren. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte Zustimmung erkennen lassen und erklärt, mindestens zwölf FDP-Abgeordnete könnten für den Unionsantrag stimmen, wenn darin nicht auf die Ampel und den Kanzler eingeprügelt werde.
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, erwartet beim Votum über den Antrag der Unionsfraktion aber keine Ja-Stimmen aus den eigenen Reihen. „Ich rechne nicht mit Abweichlern aus unserer Fraktion bei der Abstimmung“, sagte Mihalic. Allen sei bewusst, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion „rein innenpolitisch motiviert“ sei. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hatte ein Ja zu dem Antrag noch vor einigen Tagen aber nicht ausgeschlossen.
Farbe bekennen – Union besteht auf namentliche Abstimmung
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die Ampel-Abgeordneten auf, Farbe zu bekennen. „Eine Reihe von Ampel-Politikern hat in den vergangenen Tagen und Wochen öffentlich betont, dass sie für eine Lieferung dieses Waffensystems an die Ukraine sind“, sagte Dobrindt der „Augsburger Allgemeinen“. „Diesen Kollegen geben wir jetzt die Möglichkeit, ihr Abstimmungsverhalten an ihre öffentlichen Äußerungen anzupassen.“ Die Union werde heute auf eine namentliche Abstimmung über den Antrag bestehen.