Im Interview mit t-online spricht Miro Klose über die anstehende Heim-EM, die Rückkehr von Toni Kroos, das deutsche Sturmproblem und sein besonderes Verhältnis zu Jamal Musiala.
2014 wurde Miroslav Klose mit der deutschen Nationalelf in Brasilien Weltmeister. Darüber hinaus krönte er sich dort selbst mit seinem 16. Turniertor zum alleinigen WM-Rekordtorschützenkönig und damit ließ den Brasilianer Ronaldo (15 Tore) hinter sich.
Klose und der deutsche Fußball insgesamt waren damit an einem absoluten Höhepunkt angekommen. Knapp zehn Jahre später wirkt das, bezogen auf die Nationalelf, allerdings wie aus einer längst vergessenen Zeit. Zuletzt schied die einstige Turniermannschaft sowohl als Titelverteidiger bei der WM 2018 in Russland als auch beim Winterturnier in Katar 2022 sang- und klanglos in der Vorrunde aus. Bei der 2021 ausgetragenen EM war im Achtelfinale gegen England Endstation (0:2).
Die anstehende Heim-EM sollte nun eigentlich der Beginn einer neuen Ära der Nationalmannschaft werden. Aufgrund der ernüchternden Entwicklung wurde Bundestrainer Hansi Flick aber entlassen. Jetzt soll es Julian Nagelsmann als sein Nachfolger schaffen, endlich die erhoffte Euphorie zu entfachen.
Im Interview mit t-online spricht Klose über seine Erwartungen an die Heim-EM, das deutsche Sturmproblem nach seinem Rücktritt, die Rückkehr von Toni Kroos und sein besonderes Verhältnis zu Jamal Musiala.
t-online: Sie kennen Jamal Musiala sehr gut, haben beim FC Bayern als U17-Coach und später als Co-Trainer der Profis mit ihm zusammengearbeitet. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Miroslav Klose: Dass er sich so schnell zum Stammspieler bei Bayern und auch in der Nationalelf entwickelt, haben wir natürlich alle gehofft. Aber selbstverständlich ist das nicht. Da musst du schon auch die Trainer haben, die das Talent erkennen und es fördern. Aber dann geht die Arbeit erst los. Auch in vielen Gesprächen mit dem Spieler selbst, seinen Eltern, seinem Umfeld. Vor allem aber brauchst du den unbedingten Willen des Spielers selbst, dem du dann gewisse Sachen zeigst, einen Weg aufzeigst, gemeinsam an seinen Stärken und Schwächen arbeitest, einen Plan mit ihm erstellst – und diese Dinge dann trainierst.
Was imponiert Ihnen am meisten an seinem heutigen Spiel?
Wenn ich jetzt seinen ersten Kontakt, seine Ballannahme und -mitnahme sehe, dann macht mir das große Freude, ihm dabei zuzuschauen, wie er damit den Unterschied ausmachen kann. Er wird nicht den ganzen Kader ziehen können, das wird es in diesem Alter nie geben. Aber, wenn er so weitermacht und am Boden bleibt, mache ich mir da gar keine Gedanken. Weil ich ja auch die Mama kenne und weiß, wer da hinter ihm steht. Er wird auch bei der Europameisterschaft ein ganz wichtiger Spieler sein.
Welche Rolle kann er dabei spielen, schon die eines Führungsspielers?
Zu erwarten, dass er bei der EM direkt Führungsspieler ist, wäre ein bisschen übertrieben. Er muss mit Leistung vorangehen, das macht er und übernimmt auch Verantwortung. Führungsspieler bei der Nationalelf und bei einem großen Turnier zu sein, ist aber noch mal was anderes. Wir haben genug Spieler, die vorneweggehen können und müssen. Jamal wird da reinwachsen, einen härteren Charakter bekommen. Das geht nur durch Erfolg und gute Leistungen. Irgendwann ist er dann so weit, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Man sollte ihm dafür aber Zeit geben, Fehler zu machen und in diese Rolle reinzuwachsen. Die notwendige Qualität dazu hat er. Das alles jetzt schon im Sommer von ihm zu erwarten, wäre aber zu früh. Ich bin schon froh, wenn er in Spielen den Unterschied ausmacht. So wie mit seinem Tor am letzten Spieltag, mit dem er Bayern zur Meisterschaft geschossen hat.