Der Jahresbericht der Wehrbeauftragten Eva Högl stellt dem Zustand der Bundeswehr ein schlechtes Zeugnis aus. Nur in einem Punkt habe sich die Situation verbessert.
Auch im zweiten Jahr der militärischen Zeitenwende hat es in den deutschen Streitkräften laut einem Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl keine wesentlichen Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur gegeben. Zudem steuert die Bundeswehr nach ihrer Einschätzung auf erhebliche Personalprobleme zu. „Die Truppe altert und schrumpft immer weiter“, schreibt die SPD-Politikerin in ihrem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Jahresbericht 2023. Etliche Verbände hätten große „Personalvakanzen“.
Högl stellt zudem fest: „Es mangelt an Material vom Großgerät bis hin zu Ersatzteilen. Durch die Abgabe an die Ukraine ist der Mangel noch größer geworden.“ Auch die Infrastruktur sei vielerorts desaströs. „Mich erreichen Schreiben von Eltern, deren Kinder soeben den Dienst angetreten haben – in Kasernen mit maroden Stuben, verschimmelten Duschen und verstopften Toiletten.“ Der schlechte Zustand der Kasernen sei teils beschämend und dem Dienst der Soldatinnen und Soldaten unangemessen.
Persönliche Ausrüstung verbessert, doch Spinde fehlen
Die Wehrbeauftragte schreibt, es seien im vergangenen Jahr „in vielen Bereichen wichtige Weichen“ gestellt worden, allerdings sei die Bundeswehr noch nicht am Ziel. Sie verwies dabei auf eine „beispiellose Zahl“ sogenannter 25-Millionen-Vorlagen, mit denen das Verteidigungsministerium im Bundestag grünes Licht für größere Beschaffungsprojekte einholt. Die persönliche Ausrüstung für die einzelnen Soldaten sei inzwischen vorhanden und so umfangreich, dass in den Spinden kein ausreichender Platz sei.
Sie verweist darauf, dass im vergangenen Jahr im westafrikanischen Mali der zweite große Auslandseinsatz der Bundeswehr nach Afghanistan beendet worden sei und schreibt: „Die Bilanz fällt ähnlich ernüchternd aus.“ Solche Einsätze würden mit der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung unwahrscheinlicher. Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können.
Bundeswehrverband: „Jetzt zu investieren, ist elementar“
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, hatte vor der Veröffentlichung des Berichts umfangreiche Investitionen in die Truppe gefordert. „Wir haben in allen Teilstreitkräften massive Probleme, gemessen am Auftrag, an der Lage“, sagte Wüstner am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Keine einzige Heeresbrigade sei einsatzbereit. „Jetzt zu investieren, ist elementar.“
Wüstner betonte, dass das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr „leider Gottes“ nichts verbessert habe. Seit 1990 seien mehrere Hundert Milliarden Euro eingespart worden, man habe sich nur auf internationales Krisenmanagement ausgerichtet und jetzt seien Landes- und Bündnisverteidigung wieder ein Schwerpunkt. Dafür sei die Bundeswehr nicht aufgestellt.
Högl habe schon 2023 von mindestens 300 Milliarden Euro gesprochen, die es dafür brauche. „Deswegen ist 2024 ein Schlüsseljahr für die Bundeswehr, für Deutschland, für Europa mit Blick auf Frieden und Freiheit, insbesondere mit Blick auf die Ukraine.“