Vom Notnagel zum Abwehrboss: Eric Dier wurde anfangs noch belächelt und widerlegt seine Kritiker eindrucksvoll. Bei t-online spricht er über seine überraschende Wandlung.
Als Eric Dier zu Beginn des Jahres von Tottenham Hotspur zum FC Bayern wechselte, wurde der Transfer von den meisten Experten noch belächelt. Ein 30-Jähriger, der seinen Zenit längst überschritten zu haben schien und deshalb in der Hinrunde bei den Spurs nur viermal eingesetzt wurde, sollte plötzlich die Lösung aller Abwehrprobleme der Münchner sein?
Mehr als die Rolle eines Notnagels, wenn wirklich gar kein anderer Abwehrspieler mehr zur Verfügung stehen und die Bedeutung der Partie nicht die größte sein sollte – maximal dafür werde es schon reichen, hieß es. Und nebenbei tue Bayern seinem Superstar Harry Kane vielleicht noch einen kleinen Gefallen, indem man seinem langjährigen Mitspieler und Freund einen Vertrag gibt. So ungefähr wurde der Dier-Deal von den allermeisten Kritikern vorverurteilt.
Diers Wandlung vom Notnagel zum Abwehrboss
Knapp zweieinhalb Monate später müssen all diejenigen, die das Potenzial von Dier verkannten, nun Abbitte leisten. Dazu zählen durchaus auch einige Bayern-Bosse, die im Winter zunächst lieber beim FC Barcelona wegen Ronald Araújo und einem möglichen 80-Millionen-Euro-Transfer vorfühlten.
Weil der sich als unrealistisch erwies, kam eben Dier. Eine Notlösung, die sich immer mehr zum absoluten Glücksgriff und Super-Schnäppchen für die Münchner erweist. Der englische Nationalspieler kam nämlich sogar zum Nulltarif und weil er zunächst nur bis Saisonende ausgeliehen war, ohne jedes weitere finanzielle Risiko.
Aufgrund seiner insgesamt schon sieben Startelfeinsätze hat sich sein Vertrag bereits automatisch bis Sommer 2025 verlängert. Eine weitere Ablöse wird trotz der festen Verpflichtung nicht fällig, weil Diers Vertrag bei Tottenham ohnehin im Sommer ausgelaufen wäre. Dem Vernehmen kommen wohl lediglich noch Bonuszahlungen in Höhe von insgesamt zwei bis zweieinhalb Millionen Euro von den Münchnern an die Spurs hinzu.
Unüberwindbar: Mit dieser Statistik verblüfft Dier
Auch die Verantwortlichen des Londoner Klubs dürften sich momentan verwundert über Diers Entwicklung die Augen reiben. Denn – weil mit Min-jae Kim (Asien-Cup) und Dayot Upamecano (Muskelfaserriss) das eigentliche Stamminnenverteidigerduo ausfiel – war Dier direkt gefragt. Er kam, sah und spielte sofort. Und siegte zuletzt mit den Bayern auch wieder. Er ist ein entscheidender Faktor des Münchner Aufschwungs, weil er der Defensive wieder zu Stabilität verhilft.
Als einziger Spieler der gesamten Bundesliga, der auf mindestens 500 Einsatzminuten kommt, wurde er noch von keinem Gegner im Dribbling überwunden. Darüber hinaus ist Dier, der auch im defensiven Mittelfeld spielen kann, mit seinen präzisen langen Bällen eine echte Bereicherung für Bayerns Spielaufbau. Seine ruhige, konzentrierte, aber trotzdem sehr kommunikative Art, mit der er die eigenen Reihen immer wieder lautstark und gestenreich ordnet, tut der Mannschaft genau wie seine Zweikampfstärke und sein physisches Spiel sichtlich gut. Mit seinem ihm optisch sehr ähnelnden Innenverteidiger-Partner, seinem Abwehr-Zwilling Matthijs de Ligt, harmoniert er bestens.
Im Interview mit t-online sprach Dier über seine unerwartete Wandlung vom Notnagel zum Abwehrboss, Wembley- und EM-Träume und seinen Kumpel Kane, dem er vorwarf, ihm sein Tor geklaut zu haben.
t-online: Herr Dier, war das 8:1 am Samstag gegen Mainz nun genau das, was Sie nach dem 3:0-Erfolg am Dienstag gegen Lazio Rom von Ihrem Team erwartet haben?
Eric Dier: Nach den wechselhaften Spielen davor wollten wir jetzt schon genau da weitermachen, wo wir gegen Lazio aufgehört haben und einen weiteren Sieg holen. Das Allerwichtigste war für uns zu versuchen, auch genau auf die gleiche Arte und Weise weiterzumachen und unser Spiel beizubehalten – und das haben wir getan.