Vor einem Jahr töteten zwei Mädchen Luise aus Freudenberg. Es kam nie zum Prozess – deshalb geht die Familie des Opfers nun einen anderen juristischen Weg.
Rund 70 Messerstiche töteten vor einem Jahr die zwölfjährige Luise. Sie verblutete nur wenige Kilometer entfernt von ihrem Zuhause in der Kleinstadt Freudenberg (Nordrhein-Westfalen), wurde in einem Waldgebiet in Rheinland-Pfalz direkt an der Grenze zu NRW gefunden. Zwei Kinder, Mädchen im Alter von damals 12 und 13 Jahren, gestanden die Tat. Aufgrund ihres jugendlichen Alters kam es allerdings nie zum Prozess, die beiden waren strafunmündig. Wo leben sie heute – und wie geht es Luises Familie ein Jahr nach der Tat?
Auf einer Gedenkseite für Luise mehren sich schon Tage vor ihrem ersten Todestag, dem 11. März, die Beileidsbekundungen. „Man wird es nie verstehen, so unendlich traurig“, schreibt jemand. In einem anderen Beitrag heißt es: „Dass du nicht mehr leben darfst, bricht mir das Herz.“ Zahlreiche Menschen haben eine digitale Kerze entzündet. Manche sehen den 12. März als Luises Todestag, da an diesem Tag ihre Leiche gefunden wurde – einen Tag, nachdem sie als vermisst gemeldet worden war.
Wüst: Luises Tod bleibt nicht ohne Folgen
Der tödliche Messerangriff erregte damals großes Aufsehen – sowohl wegen des jungen Alters des Opfers als auch wegen des jungen Alters der Täterinnen. Kinder unter 14 Jahren sind strafunmündig. Die Ermittlungen zu Luises Tod wurden im Herbst eingestellt. Damals kam eine Debatte über eine frühere Strafmündigkeit auf, die von den allermeisten aber als falsch zurückgewiesen wurde (hier lesen Sie Details).
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte versprochen, Luises Tod werde nicht ohne Folgen bleiben. Der Landtag beauftragte die NRW-Regierung im Mai, die Ursachen der steigenden Kinder- und Jugendkriminalität erforschen zu lassen. Aus dem Innenministerium heißt es dazu auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), man habe das Landeskriminalamt mit der Umsetzung der Studie beauftragt, Ergebnisse gebe es noch nicht.
„Das Entsetzen bleibt“
„Das Entsetzen bleibt“, sagte Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD) vor wenigen Tagen bei einem Pressetermin anlässlich von Luises erstem Todestag. Das Leid der Hinterbliebenen sei unermesslich. „Der Weg in die Normalität ist kein einfacher“, so Reschke. Die Bedürfnisse von Luises Familie stünden an oberster Stelle. Es sei schwer zu ertragen, dass die „Frage nach dem Warum“ offenbleiben werde.
Und was ist mit den Mädchen passiert, die die Tat gestanden haben? Sie sind mit ihren Familien aus Freudenberg weggezogen, unter Obhut des Jugendamts gestellt und in einer therapeutischen Einrichtung untergebracht worden. Haben sie schwere Schuldgefühle? Dazu könne er sich nicht äußern, sagte Jugenddezernent Thomas Wüst bei dem Pressetermin. Allerdings: „Die Belastung empfinden sie als immens.“
Ein Mädchen sei inzwischen in eine Wohngruppe gewechselt, besuche wieder eine Schule. Das andere Kind ist Wüst zufolge noch in klinischer Behandlung. Danach wird das Mädchen der „Bild“-Zeitung zufolge ebenfalls in einer Wohngruppe unterkommen. Den beiden sei als „einziger Anker“ ihr familiäres Umfeld geblieben, so der Jugenddezernent.
Video | Zwölfjährige wurde von Kindern erstochen
Quelle: dpa
„Grausames Spannungsfeld“
Landrat Andreas Müller (SPD) spricht von einem „grausamen Spannungsfeld“. Ihrer Familie sei Luise für immer gewaltsam entrissen, für die geständigen Mädchen werde es aber „im klassischen Sinne keine Strafe“ geben. Es sei verpflichtend, den Täterinnen einen Weg zurück ins Leben zu ebnen. Für manche sei das sehr unbefriedigend, empöre, verletze das subjektive Gerechtigkeitsempfinden. Aber: „Damit müssen wir leben und umgehen.“
Auch wenn die Täterinnen für den Mord an Luise nicht verurteilt werden können, könnte eine Aufarbeitung des Falls nun auf einem anderen juristischen Weg in Gang kommen. Die Hinterbliebenen haben die minderjährigen Täterinnen vor dem Landgericht Koblenz unter anderem auf Schmerzensgeld verklagt. Der „Westfalenpost“ liegt eine Zivilklage vom 27. November 2023 vor.