An Tag drei der russischen Invasion in die Ukraine liefern sich beide Seiten Gefechte um die Hauptstadt Kiew. Im Zentrum heulen am Samstag immer wieder die Sirenen, um die Bewohner der Millionenstadt vor Luftangriffen zu warnen.
Bei einem der Angriffe wurde ein Hochhaus getroffen worden. Bilder zeigten deutlich sichtbar einen Einschlag in oberen Stockwerken. „Kiew, unsere schöne, friedliche Stadt hat eine weitere Nacht unter Beschuss von russischen Bodentruppen und Raketen überlebt“, kommentierte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. „Ich fordere die Welt auf: Russland vollständig isolieren, Botschafter ausweisen, Ölembargo, die russische Wirtschaft zerstören.“
Die ukrainischen Behörden in Kiew warnen bereits vor Straßenkämpfen in der Hauptstadt. „Auf den Straßen unserer Stadt laufen jetzt Kampfhandlungen. Wir bitten darum, Ruhe zu bewahren und maximal vorsichtig zu sein!“, hieß es in der Mitteilung am Samstag. Wer in einem Bunker sei, solle dort bleiben. Im Fall von Luftalarm sollten die Menschen den nächsten Bunker aufsuchen.
Kämpfe gab es auch um Odessa, Mariupol und andere Städte im ganzen Land. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj rief seine Landsleute in Videobotschaften am Samstag zur Abwehr russischer Angriffe auf.
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„Die Kämpfe gehen in vielen Städten und Gebieten unseres Landes weiter“, sagte Selenskyj in der rund fünfminütigen Ansprache am Samstagmittag. Russische Truppen wollten das Stadtzentrum von Kiew einnehmen und „hier ihre Marionetten installieren“, warnte er. Bislang seien die Hauptstadt und andere strategisch wichtige Städte aber unter Kontrolle der ukrainischen Armee.
Moskau hält an Offensive fest und droht dem Westen
Aus Moskau gibt es keine Anzeichen eines Einlenkens. „Die Militäroperation zum Schutz des Donbass wird vollständig und bis zum Erreichen aller Ergebnisse durchgeführt. Nicht mehr und nicht weniger“, schrieb der Vize-Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, am Samstag im sozialen Netzwerk Vkontakte. Daran änderten auch die Strafmaßnahmen des Westens nichts.
Medwedew bezeichnete die Sanktionen des Westens als „politische Ohnmacht, die sich aus der Unfähigkeit ergibt, den Kurs Russlands zu ändern“. „Jetzt werden wir von überall vertrieben, bestraft, verängstigt, aber wir haben wieder keine Angst“, sagte der Vertraute von Präsident Wladimir Putin. Russland werde „spiegelbildlich“ antworten.
Die Sanktionen könnten Moskau zudem zu einer vollständigen Überprüfung seiner Kontakte zum Westen veranlassen, schrieb der Ex-Präsident. Er legte damit nahe, dass Russland aus dem atomaren Abrüstungsabkommen New Begin ausscheiden könnte. Der letzte verbliebene Nuklearpakt begrenzt die Zahl der Atomsprengköpfe, die die USA und Russland vorhalten dürfen.
Mehr als Hunderttausend Flüchtlinge
Tausende Menschen haben sich mittlerweile auf den Weg gemacht, um das Land zu verlassen. Kilometerlange Schlangen bilden sich an der ukrainisch-polnischen Grenze, wie unser Reporter Jürgen Klöckner berichtet. Ukrainische Bürger können ohne Visum in die EU einreisen.
Polen hat seit dem russischen Angriff auf die Ukraine rund 100.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland gezählt. Allein seit Samstagmorgen seien 9000 Menschen aus der Ukraine über die Grenze gekommen, teilt Polens stellvertretender Innenminister Pawel Szefernaker mit.
Nach UN-Angaben sind mehr als 120.000 Menschen aus dem Land geflohen. Die Lage werde sich voraussichtlich noch verschlimmern, sagte die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Kelly Clements, in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN.
Kommt der Swift-Ausschluss von Russland?
Um Druck auf Russland auszuüben, traten in der Nacht zum Samstag die neuen EU-Sanktionen in Kraft. Die Strafmaßnahmen sollen Russland und seiner Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Dafür werden zum Beispiel die Refinanzierungsmöglichkeiten des Staates und von ausgewählten privaten Banken und Unternehmen eingeschränkt. Zudem erlässt die EU Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Güter.
Darüber hinaus setzen die EU, Großbritannien und die USA Putin und den russischen Außenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionslisten. Damit könnten ausländische Konten oder Vermögen eingefroren werden.
Immer mehr Befürworter gibt es für einen Ausschluss Russlands aus dem globalen Zahlungssystem Swift. So soll sich nun auch der italienische Ministerpräsident Mario Draghi nach Angaben des ukrainischen Präsident Selenski dafür ausgesprochen haben. Dies habe ihm Draghi am Samstag in einem Telefongespräch erklärt, teilt Selenski mit. In den Reihen der Regierungskoalition in Rom wird das bestätigt.
Aus EZB-Kreisen heißt es, dass eine Entscheidung, Russland von Swift abzuschneiden, binnen weniger Tage getroffen werden könnte. „Swift ist nur eine Frage der Zeit, einer sehr kurzen Zeit, von Tagen“, sagt der Chef einer Zentralbank aus der Euro-Zone zu Reuters, der namentlich nicht genannt werden wollte. Die Bundesregierung hatte sich zuletzt noch zurückhaltend zu einem russischen Swift-Ausschluss geäußert.
So berichtet das Handelsblatt über die Entwicklungen in der Ukrainekrise:
Fb und Twitter blockieren Werbung von Russlands Staatsmedien
Der Fb-Konzern Meta ergreift in Reaktion auf Russlands Invasion in die Ukraine weitere Schritte. Man sei dabei, russische Staatsmedien daran zu hindern, in dem sozialen Netzwerk weltweit Anzeigen zu schalten oder dort Geld zu verdienen, gab der Sicherheitschef bei Fb, Nathaniel Gleicher, am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter bekannt. „Wir beobachten die State of affairs in der Ukraine genau und werden unsere Schritte zum Schutz der Menschen auf unserer Plattform weiter mitteilen“, erklärte Gleicher.
Auch der Kurznachrichtendienst Twitter blockiert bis auf weiteres Werbeanzeigen in den kriegführenden Ländern Russland und Ukraine. Auf diese Weise wolle man sicherstellen, dass wichtige Informationen zur öffentlichen Sicherheit in den beiden Staaten hervorgehoben werden, teilte der Konzern auf seinem Nachrichtendienst am Samstag mit. Werbung würde von solchen Informationen ablenken.
Ukraine-Konflikt: Ratingagentur stuft Russland herab
Die Ratingagentur S&P stuft die Kreditwürdigkeit Russlands auf Schrottniveau herunter. Die Experten begründeten das mit den internationalen Sanktionen, die weitreichende Auswirkungen auf die Fähigkeit des Bankensystems haben könnten, den internationalen Handel zu finanzieren.
Die Ratingnote für langfristige Fremdwährungsanleihen wurde auf „BB+“ von „BBB-“ gesenkt und liegt damit im spekulativen Bereich. Weitere Herabstufungen seien möglich, schrieben die Analysten weiter, wenn mehr Klarheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen bestehe.
Auch Moody’s droht Russland mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit auf Schrottniveau. Es gebe „ernsthafte Sorgen“, ob es Russland gelinge, die Auswirkungen von Sanktionen auf seine Wirtschaft, seinen Haushalt und sein Finanzsystem abzufedern, erklärte Moody’s. Derzeit kommt Russland noch auf eine Ratingnote von „Baa3“, die Anleihen liegen damit eine Stufe über dem spekulativen Bereich.
Es kann Monate dauern, bis eine Herabstufung auf eine derartige Drohung folgt, in diesem Fall dürfte eine Reaktion aber schneller erfolgen. Moody’s will in seiner Entscheidung das Ausmaß des Konflikts mit einbeziehen.
Mit Agenturmaterial.
Mehr: Wie wehrhaft ist Europa? Die wichtigsten Antworten zu den Sanktionen gegen Russland