Im November einigten sich Bund und Länder nach zähem Ringen auf ein Maßnahmenpaket zur Eindämmung der irregulären Migration. Vier Monate später zeigen sie sich insgesamt zufrieden mit der Umsetzung.
Die Länder verlangen von der Bundesregierung Klarheit über eine mögliche Verlagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb der EU. In einem nach ihren Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) veröffentlichten Beschluss bitten die 16 Länderchefs die Ampel-Regierung in Berlin, bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz am 20. Juni dazu erste Ergebnisse vorzulegen.
Bald soll nach dem Willen der Länder auch feststehen, wann die damals vereinbarte Bezahlkarte für Asylbewerber kommt. Sie soll teilweise Bargeld-Auszahlungen ersetzen und damit verhindern, dass die Flüchtlinge Geld in ihre Heimatländer überweisen. In dem gemeinsamen Beschluss fordern die Regierungschefs der Länder den Bund auf, dafür zu sorgen, dass der Bundestag einen entsprechenden Entwurf dazu rasch verabschiedet.
Scholz: „Immer am Thema dran bleiben“
Scholz (SPD) und die amtierenden Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, der Hesse Boris Rhein (CDU) und sein niedersächsischer Stellvertreter Stephan Weil (SPD), zogen vier Monate nach dem Migrationsgipfel im November insgesamt eine positive Zwischenbilanz der Umsetzung ihrer Beschlüsse. Es seien in den vergangenen Monaten bereits „grundlegende Veränderungen auf den Weg gebracht“ worden, betonte der Kanzler. Man dürfe bei der Begrenzung der irregulären Migration jetzt nur nicht die Hände in den Schoß legen, sondern müsse „immer am Thema dranbleiben“.
Unzufrieden zeigten sich dagegen die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bayern, Hendrik Wüst (CDU) und Markus Söder (CSU). „Das reicht nicht: Die heutige MPK war wieder nur eine Bestandsaufnahme und hat nichts Neues gebracht“, sagte Söder. Bayern und Sachsen forderten in einer gemeinsamen Protokollnotiz, dass neu ankommende ukrainische Flüchtlinge künftig statt Bürgergeld wieder die normalen Leistungen für Asylbewerber erhalten. „Mit dieser Halbherzigkeit werden die Zugangszahlen im Sommer kaum sinken“, hieß es in der Notiz weiter. Hessen forderte, Länder mit einer Anerkennungsquote von unter fünf Prozent grundsätzlich zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Thüringen stellte sich gegen „Asyllager an den europäischen Außengrenzen“.
Wüst mahnt mehr Tempo an
Wüst meinte: „In der Migrationspolitik braucht es Tempo statt Zeitspiel.“ Vor allem beim Thema Asylverfahren in Drittstaaten gehe es nur im Schneckentempo voran, bemängelte der CDU-Politiker. Bereits 2021 habe die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag einen entsprechenden Prüfauftrag verankert. „Passiert ist dann nichts“, kritisierte Wüst.
Beim Flüchtlingsgipfel im November hatte die Bundesregierung erneut eine Prüfung zugesagt. Auch in anderen europäischen Ländern werden entsprechende Modelle diskutiert. Italien hatte im vergangenen Jahr eine Absichtserklärung mit Albanien zur Errichtung von zwei Zentren zur Aufnahme von im Mittelmeer geretteten Migranten in Albanien unterzeichnet. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hält eine solche Verlagerung von Asylverfahren generell für möglich, allerdings nur unter eng gefassten Bedingungen.
Weil äußert rechtliche Bedenken gegen Obergrenze für Asylbewerber
In der Debatte über eine Obergrenze für Asylbewerber wurden sehr unterschiedliche Sichtweisen deutlich. Hessens Ministerpräsident Rhein nannte die Diskussion als Vorsitzender der Länder-Konferenz legitim. Der niedersächsische Ministerpräsident Weil hält eine Obergrenze aus verfassungsrechtlichen Gründen dagegen nicht für realistisch. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte zuletzt „50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr“ als mögliche Grenze genannt.
„Als Ziel kann man über alles reden“, sagte Weil dazu. Für eine Obergrenze wären aber grundlegende rechtliche Änderungen notwendig, nicht nur in Deutschland, sondern es gehe hier auch um die Genfer Flüchtlingskonvention.
Rhein mahnt Realismus bei Eindämmung der Zuwanderung an
Weil zeigte sich auch skeptisch, was einen schnellen Rückgang der Asylbewerberzahlen angeht. „Niemand soll von unseren Beschlüssen erwarten, dass sie sofort den Schalter umlegen“, sagte er. Auch Rhein sagte, man müsse da „ja doch realistisch bleiben“.
In Deutschland hatten im vergangenen Jahr rund 329.000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl gestellt – etwa 50 Prozent mehr als 2022. Die mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 nach Deutschland kamen, sind darin nicht erfasst, da sie kein Asyl beantragen müssen. Viele Kommunen sind mit der Unterbringung inzwischen überfordert.
Im Januar dieses Jahres wurden fast 26.400 Asyl-Erstanträge gezählt. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr ergäbe dies eine ähnliche Zahl wie 2023. Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass im Frühjahr, Sommer und Herbst üblicherweise mehr Flüchtlinge kommen als im Winter.
Einige Streitpunkte bereits vor dem Treffen abgeräumt
Um gegenzusteuern, hatten sich Bund und Länder im November auf ein Maßnahmenpaket verständigt. Enthalten war eine Pro-Kopf-Pauschale des Bundes als zusätzliche Beteiligung an den Asylkosten abgerungen: 7500 Euro pro Jahr für jeden, der erstmals in Deutschland Asyl beantragt. Damit eine erste Abschlagszahlung an die Länder in Höhe von 1,75 Milliarden Euro für 2024 noch im ersten Halbjahr kommt, will der Bund bald einen Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vorlegen.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, sagte, es sei bedauerlich, dass die Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen keinen Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland gelegt hätten. Schließlich hätten sich Regierungschefs unterschiedlicher Parteien bereits öffentlich für dringend nötige Investitionen und eine Modernisierung der Schuldenbremse ausgesprochen. Es brauche einen Schulterschluss mit den Ländern – „für Investitionen eine zukunftsfähige Wirtschaft und ein Land, das einfach funktioniert“.