München, Rom Wenn der neue Unicredit-Chef Andrea Orcel am Donnerstag seinen neuen Strategieplan präsentiert, sind die Erwartungen groß. Was schon jetzt durchgesickert ist: Unicredit will offenbar 3000 der derzeit 87.000 Stellen streichen, wie mehrere Medien berichten.
Ein Großteil der Stellen soll in der Mailänder Zentrale wegfallen. Aber auch Auslandsstandorte könnten betroffen sein. Dort doppeln sich die Strukturen des Konzerns teilweise, vor allem im Backoffice. Selbst ganze Standorte – etwa in Athen, Tokio und anderen Ländern im fernen Ostern – könnten geschlossen werden, heißt es.
Eine offizielle Stellungnahme von Unicredit gibt es bisher nicht. Klar ist aber schon länger, dass Orcel die Prozesse des Instituts vereinfachen und Bürokratie abbauen will. Dem Vernehmen nach soll es auch kein radikaler Schnitt werden: Die meisten Stellen könnten über Frühpensionierungen abgefedert werden.
Auch im Topmanagement wurde bereits verkleinert. Beispielsweise wurden vielerorts die unter Orcels Vorgänger Jean-Pierre Mustier beliebten Doppelspitzen in Kernfunktionen des Konzerns abgebaut. Gleichzeitig sollen 1500 Jobs neu besetzt werden. Die eingeleitete Restrukturierung der Kundenprozesse führt innerhalb der Financial institution schon seit geraumer Zeit dazu, dass vor allem im Bereich der IT aufgestockt wird.
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Auch HVB such nach IT-Experten
Die neue Privatkundenvorständin Marion Höllinger der HVB hatte erst in der vergangenen Woche ihr neues Smartbanking-Konzept für rund 1,5 Millionen Privatkunden gestartet. Ähnlich wie die gesamte Branche will sich auch die HVB mit IT-Experten verstärken.
Ein hartes Restrukturierungsprogramm, wie es bei Mustiers Amtsantritt vor einigen Jahren der Fall warfare, erwartet man deshalb in München nicht. Man stellt sich eher auf mehr Effizienz in internen Prozessen ein.
Der erwartete Stellenabbau bei der italienischen Großbank Unicredit dürfte aber trotzdem auch bei der HVB Folgen nach sich ziehen. „Es wird auch hier zu Einschnitten kommen“, heißt es bereits in Bankkreisen. Eine dreistellige Zahl an Stellen könnte betroffen sein.
Die HVB wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Eine vor Jahren zwischen Vorstand und Belegschaft ausgehandelte Garantievereinbarung sieht vor, dass die Untergrenze an Mitarbeitern bis ins Jahr 2025 bei knapp unter 11.000 liegen soll. Doch schon seit Jahren werden bei der Hypovereinsbank Jobs abgebaut. Zur Jahresmitte gab es laut Geschäftsbericht noch 11.537 Vollzeitstellen, 537 weniger als im Jahr davor. Damit kam man der Garantievereinbarung zuletzt schon sehr nahe.
„Wir gehen künftig schon unter 11.000 Mitarbeiter“, heißt es nun aus Bankkreisen. Eine Garantievereinbarung könne man schließlich auch aufkündigen. Die einst getroffene Vereinbarung gilt als juristisch nicht bindend.
Erst Ende 2019 hatte HVB-Chef Michael Diederich den Abbau von etwa 1300 Stellen innerhalb von zehn Jahren angekündigt. Damals hatte die Financial institution noch 12.200 Mitarbeiter. Nun könnte der Prozess an Dynamik gewinnen.
Unicredit will Italiengeschäft ausbauen
Von der Mailänder Unicredit-Zentrale aus zeichnet sich indes mehr und mehr die Handschrift des neuen Vorstandschefs Andrea Orcel ab. Er leitet seit April die Geschäfte und hatte sich ein halbes Jahr Zeit genommen für die strategische Neuausrichtung.
Immer wieder hat er betont, dass Unicredit eine paneuropäische Financial institution „mit italienischen Wurzeln“ sei. Sein primäres Ziel: noch stärker und präsenter im Heimatland werden. Anders als sein Vorgänger Jean-Pierre Mustier ist Orcel auch bereit, über Zukäufe zu wachsen.
Die von langer Hand geplante Übernahme der staatlichen Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) scheiterte aber erst vor sechs Wochen. Unicredit wollte knapp drei Viertel der Aktiva der Financial institution aus der Toskana übernehmen, dazu intestine 1000 der 1300 Filialen. Allerdings soll Orcel eine staatliche Kapitalerhöhung von mehr als sechs Milliarden Euro zur Bedingung des Offers gemacht haben – so viel Risiko wollte das italienische Finanzministerium, das seit der Rettung der Financial institution im Jahr 2017 rund 64 Prozent der Anteile hält, aber nicht nachschießen.
Für Unicredit wäre MPS ein zentraler Baustein gewesen, um stärker im Inland zu wachsen und sich gegen die wachsende Konkurrenz von Platzhirsch Intesa Sanpaolo zu behaupten. Seitdem Intesa mit der mittelgroßen UBI Banca verschmolzen ist, hat Unicredit Marktanteile verloren. In der Lombardei etwa, der Area um Mailand, steht Unicredit bei den Filialen nur noch auf dem vierten Platz. Die vielen MPS-Filialen im Norden hätten bei der Aufholjagd sehr geholfen.
Mehr: Wie Marion Höllinger das Privatkundengeschäft der HVB verändert