Die DNA des Phantoms von Heilbronn konnte an mindestens 40 Tatorten nachgewiesen werden. Doch 16 Jahre nach dem ersten Fall stellten Ermittler fest, dass die vermeintliche Serienmörderin gar nicht existierte.
Am 25. April 2007 wurde die 22-jährige Polizistin, Michèle Kiesewetter, auf der Heilbronner Theresienwiese erschossen. Ihr Partner wurde durch einen Schuss in den Kopf schwer verletzt. Als er wieder aus dem Koma erwacht war, konnte er sich nicht mehr an die Tat erinnern. Einziger Anhaltspunkt: eine DNA-Spur, die auf eine Frau hinwies, die bereits mit verschiedensten Verbrechen in Verbindung gebracht worden war.
An mindestens 40 Tatorten fand sich die DNA der unbekannten Frau zwischen 1993 und 2009. Zum ersten Mal an einem Mordschauplatz in Idar-Oberstein 1993. 2001 wurde sie erstmals einer konkreten Verdächtigen zugeordnet. Weitere Morde, aber auch Einbrüche und Diebstähle sollten folgen.
Die „Frau ohne Gesicht“
Doch mit jedem neuen Tatort wuchs die Verwirrung der Ermittler. Denn nicht nur die Art der Verbrechen war oft unterschiedlich. Auch die Orte der Verbrechen variierten. So konnte die DNA der „Frau ohne Gesicht“, wie die Unbekannte getauft wurde, über die Jahre in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Österreich nachgewiesen werden.
An jedem Tatort gab es zudem nur eine einzige DNA-Spur der Frau. Auch Augenzeugen haben nie von einer Frau berichten können. Wer also war die Frau, von der man nur die DNA kannte?
Nie tatsächlich am Tatort
Die Ermittlungen in Österreich sollten letztlich zur Lösung des Rätsels führen. Sie bestätigten die Vermutungen, dass sich die Person, zu der die DNA gehörte, nie an den Tatorten befunden hatte. In einem Tanzlokal in Österreich kam es 2008 zu einer Schlägerei, bei der ein Mann starb. Auch hier fand man die DNA der Unbekannten.
Seltsam: Kein einziger Zeuge hatte in der Diskothek eine Frau gesehen. Als Täter konnten fünf Männer ausgemacht werden. Für die DNA des Phantoms von Heilbronn musste es also eine andere Erklärung geben.
DNA gehört zu 71-jähriger Frau
Mithilfe dieser Information bemerkte man, dass an allen Orten, an denen die Unbekannte aufgetaucht war, Abstrichbestecke von derselben Firma genutzt worden waren. So führte die Spur zur Firma Greiner Bio-One nach Frickenhausen, Baden-Württemberg. Die DNA konnte einer Frau zugewiesen werden, die als Verpackerin in der Firma gearbeitet hat. Das Kuriose: die 71 Jahre alte Frau hat ihren Job nicht einmal falsch gemacht.
Denn es gab zu diesem Zeitpunkt keine verbindlichen Qualitätsstandards für die DNA-Beweisführung. Ein DNA-freies Produkt sei also nie gefordert gewesen, verteidigte sich die Firma. So konnte es passieren, dass die DNA der Frau beim Verschließen und Verpacken der Wattestäbchen auf eben diese gelangte. Heute wird aus diesem Grund nur noch Abstrichbesteck eingekauft, bei dem man sich die Qualität zertifizieren lässt.
Der eingangs beschriebene Mord an der Polizistin konnte schließlich den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zugeordnet werden. Ihre Dienstwaffe und die ihres verletzten Kollegen fanden sich 2011 bei den Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die beiden NSU-Terroristen hatten sich in ihrem Wohnmobil in Eisenach gemeinsam das Leben genommen. In der Wohnung, in der die beiden mit Beate Zschäpe gelebt hatten, fand man schließlich auch die mutmaßlichen Tatwaffen.