Sie dominierten lange die Szene der Klimaaktivisten. Zuletzt waren sie aber medial nicht mehr so präsent. Nun will Fridays for Future wieder in die Schlagzeilen.
Massive Proteste jeden Freitagmittag mit Tausenden Menschen auf der Straße: Das war der Erfolg von Fridays for Future. Zuletzt war es aber erstaunlich still um die Klimaaktivisten. Am 1. März wollen sie wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Zusammen mit der Gewerkschaft Verdi nehmen sie am Streik des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) teil. Carla Reemtsma, Mitbegründerin von Fridays for Future, erklärt im Interview mit t-online, wie es bei den Klimaaktivisten weitergehen soll, ob sie sich ein Vorbild an der „Letzten Generation“ nehmen und was sie von der Bundesregierung fordert.
t-online: Frau Reemtsma, hierzulande protestierten die Bauern, streikten Beschäftigte bei Bus und Bahn, und Millionen Menschen gingen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Nur von den Klimaprotesten fehlt jede Spur. Wo war Fridays for Future?
Carla Reemtsma: Fridays for Future hat in den letzten Wochen die Proteste gegen Rechtsextremismus unterstützt und teilweise mitorganisiert. Wir haben uns außerdem auf den Klimastreik am 1. März vorbereitet. An dem Tag werden wir gemeinsam mit Beschäftigten aus dem ÖPNV streiken. Dafür haben wir monatelang in den Betrieben das Gespräch gesucht. Diese Vorbereitung sehen Sie in der Öffentlichkeit natürlich weniger.
Warum streiken Sie mit Verdi?
Die Hitzerekorde der vergangenen Wochen machen klar: Es braucht konsequenten Klimaschutz jetzt. Und Klimaschutz geht nur mit einer echten Verkehrswende. Wir brauchen einen Ausbau des ÖPNVs, aber auch gute Jobs, denn gerade scheitert der Ausbau des ÖPNVs unter anderem daran, dass niemand mehr die Busse und Bahnen fahren möchte. Derzeit sind die Arbeitsbedingungen nicht gut, die Löhne gering, die Schichten zu lang und die Pausen zu kurz. Es fehlt außerdem massiv an Investitionen. Auch ohne sie ist die Verkehrswende nicht möglich.
Wäre es nicht effizienter, Straßen zu blockieren, so wie die „Letzte Generation“? Damit würden Sie Emissionen einsparen.
Der Großteil der Gesellschaft wünscht sich mehr Klimaschutz von der Regierung. Wenn es um einzelne Maßnahmen geht, müssen wir trotzdem für die gesellschaftliche Akzeptanz kämpfen. Beispielsweise, indem es günstige, gute und bezahlbare Mobilität für alle gibt. Das geht eben nur mit einem ausgebauten ÖPNV – und das spart dann wiederum auch Emissionen ein.
Nun sieht das die „Letzte Generation“ offenbar so wie Sie. Die Aktivisten haben ihre Strategie geändert und wollen sich zukünftig nicht mehr ankleben. Wie bewerten Sie diese Veränderung?
Die disruptiven Proteste der „Letzten Generation“ haben auf jeden Fall für Aufmerksamkeit für die Klimakrise gesorgt. Jetzt haben sich die Aktivisten für eine neue Form der Aktionen entschieden. Wir haben bei Fridays for Future von Anfang an gesagt, dass wir viele Leute bei den Klimaprotesten auf der Straße brauchen. Deshalb haben wir Organisationsformen genutzt, bei denen jede und jeder mitmachen und sich für Klimaschutz einsetzen kann. Die Anpassung zeigt: Die gesamte Debatte rund um Klimakrise und Klimaprotest hat sich verändert. Es geht nicht mehr nur darum, möglichst viel Aufmerksamkeit für die Klimakrise zu erzeugen, sondern auch Druck für konkrete Maßnahmen zu machen.
Zur Person
Carla Reemtsma (25) ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Dort studiert sie an der Humboldt-Universität im Masterstudiengang Integrated Natural Resource Management. Seit Januar 2019 ist sie als Mitgründerin bei Fridays for Future in Deutschland aktiv.
Gibt es Überlegungen, in Zukunft zusammenzuarbeiten? Können Sie sich vorstellen, bei Blockaden mitzumachen?
Wir sind mit der „Letzten Generation“ im Austausch, genauso wie wir es mit Gewerkschaften und anderen Klimagruppen auch sind. Ob sich etwas anbietet, werden wir sehen. Gerade gibt es keine konkreten Überlegungen, gemeinsam zu protestieren.
Das heißt, Ihre Strategie bleibt unverändert?
Wir haben entschieden: Wir wollen die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen vorantreiben. Deshalb suchen wir an vom Klimaschutz betroffenen Orten das Gespräch mit Menschen, Industrien, Gewerkschaften, um gemeinsam Veränderungen möglich zu machen. Natürlich sind auch die anstehenden Europawahlen und die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Thema. Es geht um die Frage: Wie kann eine Transformation aussehen, die eine gerechtere und bessere Zukunft für alle ermöglicht?
Planen Sie, mit Fridays for Future in Zukunft selbst an Wahlen teilzunehmen?
Nein, wir sind außerparlamentarisch aktiv und werden es auch bleiben.
Bleiben Sie also überparteilich oder wollen Sie bestimmte Parteien unterstützen?
Wir sind eine überparteiliche Bewegung. Aber wir sprechen uns ganz klar gegen rechtsextreme und populistische Parteien aus. Natürlich gibt es Parteien, die uns inhaltlich näher sind. Gleichzeitig gibt es, Stand jetzt, keine Partei, weder auf Bundes-, Europa-, kommunaler noch Länderebene, die ein 1,5-Grad-Ziel-konformes Wahlprogramm hat. Es gibt auch keine klare Wahlempfehlung von uns. Wir versuchen aber, den demokratischen Diskurs zu stärken und junge Leute davon zu überzeugen, wählen zu gehen, sich mit Politik auseinanderzusetzen.