Die heiß gelaufene Börse des vergangenen Jahres, in der eigentlich wertlose Aktien über Billig-Dealer von zum Teil sehr jungen Anlegern hochgepusht wurden, hat ein Vorurteil bestätigt: Die Jugend handelt oft mit mehr Emotion als Verstand. Dazu passt auch die kürzlich geäußerte Sorge der europäischen Finanzaufsicht ESMA, unerfahrene Börsianer könnten die Risiken der Aktienanlage unterschätzen.
Aber der nähere Blick zeigt: Vorurteile gegenüber einer angeblich unvernünftigen Jugend sind alles andere als berechtigt. Auf vielen Gebieten handeln die Jüngeren rationaler als die Älteren. Das ist kein Zufall: In einer sich immer schneller verändernden Welt werden alte Erfahrungen schnell entwertet, und neue Erfahrungen machen schneller und intensiver die Nachwachsenden.
Wer mit jungen Menschen über Geldanlage redet, hört sehr oft die Abkürzung „ETF“. Die steht für „börsengehandelte Fonds“ und damit für eine sehr pragmatische, kostengünstige Kind der Geldanlage. Eine Umfrage von DIW Econ im Auftrag des Brokers Commerce Republic bestätigt: ETFs stehen bei jungen Anlegern hoch im Kurs, hochspekulative Derivate dagegen nicht.
Das Bild einer relativ rationalen Jugend bestätigt sich auch auf anderen Gebieten. Bei den Quer-Nichtdenkern geben eher ältere Stimmen den Ton an. In die Jahre gekommene Professoren wie etwa der Ökonom Stefan Homburg fallen einem zuerst ein bei der Frage, wer die gefährlichsten Unwahrheiten unter die Leute bringt.
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Viele Abiturienten, deren Aufbruchsstimmung durch Lockdowns gebremst wurde oder die sich allein mit ihrem Laptop durchs erste Semester kämpfen müssen, ertragen ihr Schicksal dagegen überraschend klaglos, obwohl die Schutzmaßnahmen, denen sie unterworfen sind, überproportional der älteren Technology zugutekommen. Selbst Kinder tragen tapfer ihre Masken, ohne zu meckern.
Überforderung erzeugt irrationales Verhalten
In der Politik derselbe Befund: In Großbritannien struggle es die ältere Technology, die den Brexit wollte. Die Jungen fühlen sich viel mehr in ganz Europa zu Hause.
Fridays for Future ist von der Zielsetzung her eine vernünftige Bewegung. Es gibt dort hin und wieder auch ideologisch geprägte, antikapitalistische Ausfälle. Aber insgesamt beruft sich diese protestierende Jugend auf echte Wissenschaft und nicht auf pseudowissenschaftlichen Marxismus wie viele ihrer Vorfahren, die heute zum Teil in Amt und Würden sind.
Natürlich ist es immer problematisch, gesamten Generationen bestimmte Eigenschaften zuzusprechen. Es gibt auch heute junge Leute, die ewig-gestrigen Ideen, zu denen auch der Marxismus gehört, anhängen.
Aber insgesamt wird gerade in der Corona-Pandemie doch zu wenig gewürdigt, wie sehr heute die überkommene Idee, Alter sei mit Weisheit und Jugend mit Unvernunft verbunden, obsolet geworden ist – ja, sich über weite Strecken ins Gegenteil verkehrt hat.
Diese Umkehrung ist kein Zufall: In Traditionsgesellschaften hatten die Alten den Jungen eine Menge Erfahrungen voraus. Heute müssen dagegen die Alten aufpassen, dass sie nicht den Anschluss verlieren.
Die Überforderung durch neue Entwicklungen erzeugt Unsicherheit und irrationales Verhalten. Wer in der Schule noch gelernt hat, mit dem Rechenschieber umzugehen, ist im Nachteil gegenüber Menschen, für die das Web so selbstverständlich ist wie die Luft zum Atmen – die durchaus auch die Gefahren dieser virtuellen Sphäre kennen. Heute lernen die Alten von den Jungen. Wer das nicht versteht, landet im Abseits.
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