Die Diagnose Krebs löst Gefühle von Angst, Hilflosigkeit und Verzweiflung aus. Manche Patienten stürzen in eine existenzielle Krise, in der sie psychologische Hilfe brauchen. Eine psychoonkologische Unterstützung kann helfen, das seelische Gleichgewicht wiederzufinden und besser durch die schwere Zeit zu kommen.
Krebs ist dank verbesserter Behandlungsmöglichkeiten in vielen Fällen längst kein Todesurteil mehr. Während bis 1980 noch zwei Drittel aller Krebspatienten infolge ihrer Krankheit starben, haben heute über die Hälfte der Patienten gute Chancen auf eine Heilung. Dennoch löst eine Krebsdiagnose bei vielen Gedanken an Tod und Sterben aus. In dieser schwierigen Lebensphase kann eine psychologische Begleitung hilfreich sein, um die seelischen Belastungen besser zu verarbeiten und die Krebstherapie besser durchzustehen.
Im Interview mit t-online erklärt Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes (KID), welche psychoonkologischen Hilfsangebote es gibt und wo Erkrankte und deren Angehörige kompetente Ansprechpartner finden.
Dr. Susanne Weg-Remers ist Leiterin des Krebsinformationsdienstes (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Nach ihrem Abschluss hat sie in der Inneren Medizin sowie in der klinischen und Grundlagenforschung für Krebs gearbeitet.
t-online: Die Diagnose Krebs kommt für die meisten wie ein Paukenschlag. Was ist jetzt wichtig für die Patienten?
Dr. Susanne Weg-Remers: Viele Patienten brauchen zunächst einmal Zeit, um den Schock zu verdauen. Die meisten informieren sich dann über ihre Krankheit und beraten mit Angehörigen oder Freunden, wie es in nächster Zeit weitergehen kann. Wir raten den Patienten, sich auf Arztgespräche gut vorzubereiten und die Fragen, die man hat, vorab aufzuschreiben.
Empfehlenswert ist auch, eine Person des Vertrauens zu den Terminen mitzunehmen, die schriftlichen Befunde und Arztbriefe zu sammeln und in die elektronische Patientenakte hineinzuladen. Wenn man weniger technisch versiert ist, tut es auch eine Papierakte.
Viele Krebspatienten fühlen sich trotz guter medizinischer Betreuung alleingelassen mit ihrer Krankheit. Woran liegt das?
Die Ärzte in der Klinik und in den Praxen konzentrieren sich meist auf das körperliche Befinden und die Behandlung. Die psychische Belastung und die Stresssituation der Patienten findet oft zu wenig Beachtung.
Aus Studien wissen wir, dass etwa ein Drittel der Betroffenen eine behandlungsbedürftige psychische Belastung entwickelt, die sich etwa in einer Depression oder in Ängsten äußern kann. Patienten sollten mit ihrem Arzt offen über das sprechen, was sie belastet, und psychologische Hilfe annehmen, wenn sie diese benötigen. Kein Krebspatient muss mit seinen Ängsten allein bleiben.
Welche Hilfe kann ein Psychoonkologe in dieser Situation leisten?
In einer psychoonkologischen Beratung wird zunächst geschaut, welche Probleme, Belastungen und Sorgen der Patient hat, wie er unterstützt werden kann und was ihn entlastet. Auch praktische Hilfen können vermittelt werden, zum Beispiel, wenn eine krebskranke Mutter eine Betreuung für ihre Kinder braucht oder eine Haushaltshilfe benötigt. Bei Ängsten vor der Chemotherapie hilft möglicherweise eine Entspannungstherapie. Auch sportliche Aktivität im Rahmen der Möglichkeiten tut vielen gut und kann helfen, mit Belastungen besser klarzukommen.
Wovor haben Krebspatienten am meisten Angst?
Bei vielen sind es Ängste, die sich konkret auf die bevorstehende Behandlung beziehen. Die Patienten fragen sich: Was kommt da alles auf mich zu? Welche Einschränkungen werde ich haben? Werde ich vielleicht eine Chemotherapie bekommen, die mit Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen verbunden ist? Manche Patienten fühlen sich psychisch zunächst besser, wenn die Therapie angefangen hat, einfach, weil dann etwas gegen den Krebs getan wird.
Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Krebsbehandlung kann es vorkommen, dass Krebspatienten erneut in ein Loch fallen. Sie gelten zwar nun in den Augen der Angehörigen wieder als „gesund“, erleben aber möglicherweise noch Einschränkungen. Und sie haben manchmal große Angst, der Krebs könne wieder zurückkommen.
Wie findet man einen Psychoonkologen?
Es hängt davon ab, wo man in Behandlung ist. Wenn man bei einem zertifizierten onkologischen Zentrum oder einem zertifizierten Organzentrum behandelt wird, ist in der Regel ein Psychoonkologe vor Ort. Eine andere Situation liegt vor, wenn die Krebsbehandlung bereits abgeschlossen ist oder die Therapie in einem Zentrum ohne psychoonkologisches Angebot stattfindet. In solchen Fällen können sich Patienten in der Adressdatenbank des Krebsinformationsdienstes orientieren. Die dort aufgelisteten Psychoonkologen sind kompetente Ansprechpartner, die über eine Zulassung als ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut und eine entsprechende Weiterbildung verfügen.
Psychoonkologische Beratung in Ihrer Nähe
Krebskranke und deren Angehörige haben ein Anrecht auf eine psychoonkologische Beratung. Über eine Suchmaschine, die der Krebsinformationsdienst (KID) auf einen Internetseiten veröffentlicht hat, finden Betroffene kompetente Ansprechpartner: Psychoonkologiepraxen an Ihrem Wohnort oder in der Nähe.
Die Psychoonkologie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sie sieht den Menschen in seiner Gesamtheit von Körper und Seele. Wirkt sich das auch positiv auf die Prognose aus?