Berlin Seit Monaten kennt der Preis für CO2-Zertifikate im Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) nur eine Richtung: Er steigt. In dieser Woche kratzte er sogar an der Marke von 100 Euro, mit 97,51 Euro erreichte er am Dienstag einen neuen Höchststand, fiel seitdem allerdings wieder auf 90 Euro. Insgesamt hat sich der Preis innerhalb von etwa einem Jahr annähernd verfünffacht.
Die Vorgängerregierung hatte im vergangenen Jahr für 2022 Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten in Höhe von 3,5 Milliarden Euro prognostiziert. Ein Wert, der aus heutiger Sicht deutlich übertroffen werden dürfte.
Mit Schätzungen darüber, mit welchen Einnahmen aus dem Zertifikateverkauf man heute rechnet, hält sich die Bundesregierung zurück. Man gebe keine eigenständigen Preisprognosen ab, da „Deutschland als Anbieter der Zertifikate ein Marktteilnehmer ist und deshalb eine entsprechende Neutralität wahren muss“, teilte eine Sprecher des Bundesumweltministeriums auf Anfrage mit. Die Einnahmeabschätzungen basierten vielmehr auf Preisprognosen führender Marktanalysten sowie den Marktpreisen für mehrjährige Future-Kontrakte.
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Derzeit würden die Abschätzungen entsprechend aktualisiert, sie würden „voraussichtlich deutlich höher liegen“ als die angesetzten Einnahmen von 3,5 Milliarden Euro, sagte der Sprecher weiter. Womit die Bundesregierung am Ende kalkulieren wird, wird sich erst bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts 2022 zeigen, der Anfang März vom Kabinett beschlossen werden soll.
Schon 2021 nahm der Bund 5,3 Milliarden Euro durch den Zertifikateverkauf ein. Im Verlauf des vergangenen Jahres stieg der Preis der Zertifikate von Werten um die 30 Euro auf rund 80 Euro zum Jahresende.
Die Preisentwicklung setzt viele Unternehmen in einer schwierigen Part unter Druck. „Die Stahlindustrie in Deutschland steht an der Schwelle zu ihrer Transformation in eine klimaneutrale Zukunft, und die Unternehmen haben konkrete Pläne, wie durch Investitionen in neue Technologien in den kommenden Jahren viele Millionen Tonnen CO2 eingespart werden können. Doch auf dem Weg dorthin werden die Hürden immer höher“, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Gefahr für die internationale Wettbewerbsfähigkeit
So belasteten die hohen CO2-Preise die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie gegenüber Drittländern, ergänzte Kerkhoff. Umso wichtiger sei es, die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten bis 2030 zu erhalten.
Emissionshandelspflichtige Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, erhalten einen Teil der Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt, den weitaus größeren Teil müssen sie kaufen. Bei dem aktuellen Preisniveau entstehen der Stahlindustrie in Deutschland nach Branchenangaben heute jährliche Kosten von rund 1,2 Milliarden Euro.
Wenn die Pläne der EU-Kommission zur weiteren Kürzung der freien Zuteilung wahr gemacht werden, werden die Kosten nach Angaben der Unternehmen 2030 mehr als drei Milliarden Euro betragen – auch wenn es gelingt, ein Drittel der Primärstahlerzeugung auf wasserstoffbasierte CO2-freie Verfahren umzustellen. Über den Zeitraum 2026 bis 2030 summieren sich die CO2-Zertifikatekosten insgesamt auf 16 Milliarden Euro.
Der EKF ist bereits ohne die Einnahmen aus dem Zertifikateverkauf üppig gefüllt, denn er speist sich auch aus weiteren Einnahmen. Lindner übernahm den EKF mit einem Guthaben von rund 25 Milliarden Euro.
Mit einem Nachtragshaushalt hat die Ampelkoalition noch mal 60 Milliarden Euro ungenutzte Corona-Notkredite als Rücklage in den EKF transferiert. Somit verfügt der Fonds additionally über rund 85 Milliarden Euro.
Im Laufe des Jahres kommen weitere Einnahmen hinzu. Die Planung der vorherigen Bundesregierung aus dem vergangenen Sommer sieht vor, dass dieses Jahr 8,6 Milliarden Euro an Einnahmen über dem nationalen CO2-Preis aus dem Gebäude- und Verkehrssektor in den EKF fließen, additionally vor allem über Preisaufschläge für Öl und Benzin.
Da der nationale CO2-Preis für 2022 im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) auf 30 Euro je Tonne festgelegt ist, ist hier nicht mit höheren Einnahmen zu rechnen. Im vergangenen Jahr betrug der CO2-Preis 25 Euro. Die Einnahmen beliefen sich auf 7,2 Milliarden Euro.
Es sind aber auch Ausgaben aus dem EKF beschlossen. So wird die Verlängerung des KfW-Programms für energieeffiziente Häuser rund 5,4 Milliarden Euro kosten. Das soll aus dem EKF finanziert werden.
Zudem wird aus dem EKF der Ausgleich für die EEG-Umlage finanziert, das dürfte mit rund zehn Milliarden Euro zu Buche schlagen. Sollte die Ampelkoalition sich dazu entscheiden, die EEG-Umlage noch im laufenden Jahr ganz abzuschaffen, würde auch das aus dem EKF finanziert. Die Kosten dafür sind offen und hängen von der Entwicklung des Strompreises sowie der Ausgestaltung der Abschaffung zusammen.
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