Mancher bei der FDP hat Sehnsucht nach der CDU. Doch dort ist das Misstrauen groß. Einige vermuten ein taktisches Manöver der Liberalen. Was plant Parteichef Christian Lindner?
Johannes Vogel macht an diesem Montagmorgen, was Politiker manchmal machen, wenn ihnen etwas unangenehm wird: Er versucht, den Medien die Schuld zuzuschieben. In diesem Fall dem Deutschlandfunk. Es ist kurz nach 8 Uhr und Vogel, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, wird von dem Radiosender interviewt. Der Moderator fragt, warum Vogels Parteifreund, der FDP-Generalsekretär, Bijan Djir-Sarai, am Wochenende gesagt habe, dass man sich eine Koalition mit der Union vorstellen könne. Mitten in einer Regierungszeit mit Grünen und SPD.
Erst beantwortet Johannes Vogel die Frage nicht richtig, dann sagt er irgendwann: „Wir verbringen jetzt schon sieben Minuten damit, dass Sie immer wieder nach der Koalition fragen.“ Der Moderator sagt mit Verweis auf den FDP-Generalsekretär: „Wir berichten das, was politische Köpfe sagen.“ Vogel findet: „Mit welchen Themen wir viel Zeit verwenden, das suchen Sie als Fragesteller aus.“
Ein Satz, der den Koalitionsbruch einläutet?
Das ist die Kernfrage: Ist die Offenheit der Liberalen gegenüber der Union eine von den Medien aufgepustete Banalität? Oder bricht da gerade eine Debatte los, die aus dem Herzen der FDP kommt?
Dabei war Satz von Djir-Sarai in der „Bild am Sonntag“ sehr deutlich: „Ich bin fest davon überzeugt, dass eine bürgerliche Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage wäre, die Probleme des Landes nicht nur gemeinsam richtig zu analysieren, sondern tatsächlich auch gemeinsam Lösungen zu finden.“ Das klang nach der Abkehr von bisherigen Partnern, nach Neuorientierung – und vielleicht sogar einem Koalitionsbruch.
Johannes Vogel bemühte sich im Deutschlandfunk, den Satz als Teil der normalen Debatte darzustellen. Doch wer sich innerhalb der FDP umhört, für den zeichnet sich das Bild einer Partei, in der damit ein Nerv getroffen wurde. Die Frage ist nur: Was folgt aus der nun wieder unverblümt erklärten Offenheit?
Die Sehnsucht bricht sich Bahn
Oft ist die FDP eine schweigsame Partei. Doch der Satz des Generalsekretärs wirkt wie ein Ventil, durch das nun die Sehnsucht nach der Union strömt. In der Fraktion wollen sich viele äußern. Gero Hocker, FDP-Agrarpolitiker, sagt t-online: „Ich habe den Eindruck, dass die Union aus ihren Fehlern der vergangenen Jahrzehnte gelernt hat und Friedrich Merz Wirtschaftspolitik mehr Bedeutung beimisst als Angela Merkel. Für alles, was kommt, kann die Union deswegen ein guter Koalitionspartner für die FDP sein.“
Die Abgeordnete Katja Adler sagt t-online: „Eine Koalition mit der CDU kann eine künftige Option mit besseren Voraussetzungen für eine Wirtschaftswende und eine echte Reformpolitik in Richtung Aufschwung sein.“ Ihr Kollege Knut Gerschau wendet noch ein: „Es gibt Schnittstellen zur Union, aber ich springe nicht aus einem fahrenden Zug.“
Der Verteidigungspolitiker Markus Faber ist dagegen bereits überzeugt: „Jeder sieht die Probleme in einer Regierung mit SPD und Grünen. 2025 müssen wir deshalb sicher auch über eine Koalitionsoption mit der Union reden.“ Und Fraktionsvizechef Christoph Meyer sagt t-online: „Mit einer wieder wirtschaftlich denkenden Union hätten wir die meisten politischen Übereinstimmungen, auch mit Blick auf die nächste Bundestagswahl.“
Es wirkt ein wenig wie im Lied von Udo Jürgens: Mancher wünscht sich Liebe ohne Leiden. Endlich keine Rücksicht mehr auf die „zwei linken Parteien“ nehmen – eine Formulierung, die von den Liberalen gern benutzt wurde, wenn sie zustande gekommene Kompromisse erklären sollten. Stattdessen: Liberale Wirtschaftspolitik ohne Einschränkungen.
„Die Schraube dreht sich in den Ländern nach unten“
Die Wucht, mit der sich dieser Wunsch in der FDP gerade Bahn bricht, ist so groß, dass sogar Generalsekretär Djir-Sarai am Montag befand, seinen Satz geraderücken zu müssen. Seine Kritik an SPD und Grünen habe nichts mit dem Fortbestand der Ampelregierung zu tun, sagte Djir-Sarai in Berlin. So weit ist es gekommen. Doch seine Worte sind in der Welt und entfalten dort ihre Wirkung.