Mit dem Rauchen aufzuhören, ist schwer. In Hamburg kann man sich hypnotisieren lassen, um die Finger von den Kippen zu lassen. Funktioniert das?
Corona war zu viel. Das ewige Homeoffice verführt auch einfach dazu, viel häufiger zur Kippe zu greifen als vorher. Zumindest mir ging es so. Und da meine Küche als letzter Raucherraum der Wohnung auch zum Arbeitsplatz wurde, dampfte ich eine Kippe nach der nächsten.
Bis es anfing, mich selbst zu nerven und zu ekeln. Warum nicht einfach aufhören? Weil es eben so einfach nicht ist.
Rund 97 Prozent der Ex-Raucher greifen innerhalb eines halben Jahres nach dem Rauchstopp wieder zur Kippe und werden rückfällig. 85 Prozent gaben in einer Umfrage an, sie seien zu willensschwach, 42 Prozent hätten sich von der Werbung und der leichten Verfügbarkeit verführen lassen. Das hat das Portal „Statista“ ermittelt.
Angst vorm Scheitern
Genau das wollte ich nicht: Allen Mut zusammennehmen und das Rauchen aufgeben und dann scheitern. Die Furcht vorm Versagen war deutlich größer als die Angst vor Lungenkrebs. Denn ich war mir sicher: Wenn ich es nicht gleich beim ersten Anlauf schaffte, dann würde ich nie aufhören.
Und vielleicht wäre ich heute noch sehr unglückliche und mutlose Raucherin, wäre mir im Herbst 2020 nicht durch Zufall ein Mensch begegnet, der nach 17 Jahren intensiven Rauchens aufgehört hatte. Einfach so. Ohne Schmacht und ohne Rückfälle. Sein Trick: Er hatte sich hypnotisieren lassen.
Nichtraucher durch Trance?
Unweit der Alster, in einer belebten Seitenstraße, arbeitet ein Hypnotiseur in zwei kleinen Räumen im Dachgeschoss eines Altbaus. Sein Versprechen: Nach 75 Minuten Hypnose sei man tatsächlich Nichtraucher. Oder Nichttrinker. Nichtspieler. Er behandelt alle Süchte. Ein großes Interesse an den Geschichten seiner Klienten hat er dabei nicht, er braucht auch keinerlei Hintergrundwissen. Denn die echte Hypnose hat nichts mit der Showeinlage aus Film und Fernsehen zu tun.
Wer hypnotisiert ist, ist nicht weggetreten oder gackert wie ein Huhn. Das Wissenschaftsmagazin „Quarks“ beschreibt den Zustand so: „Der Hypnotherapeut ist nur der Fahrlehrer, aber man selbst fährt immer seinen eigenen Film.“ Man wird also begleitet, aber man sitzt selbst am Steuer.
Die Hypnose für meine Rauchentwöhnung ist unspektakulär: Der Experte versetzt mich in Trance, ich bin bei vollem Bewusstsein. Im ruhigen Plauderton erzählt er mir, dass ich doch viel lieber saubere, klare Luft atmen möchte. Kurzzeitig bin ich fast gelangweilt von den ewigen Wiederholungen, die er auftischt. Und meine Gedanken schweifen ab. Aber auch das ist Teil der Trance, erfahre ich später vom Hypnotiseur.
Dann musste ich weinen
Als er am Ende seiner erzählerischen Reise eine Zigarette neben meinem Kopf anzündet und ich den Qualm rieche, fange ich an zu weinen. Ich ertrage den Geruch nicht mehr. Dann ist die Hypnose vorbei. Ich fühle mich schläfrig und habe Kopfschmerzen.
Am nächsten Tag schnüffel’ ich mich durch meine Wohnung. Und habe das dringende Bedürfnis, zu putzen, zu waschen und zu schrubben. Was auch immer mit Nikotinrauch in Berührung gekommen ist, muss gereinigt werden. Noch Stunden später stehe ich auf einer Leiter und poliere meine Küchenschränke. Meine gesamte Garderobe landet in der Waschmaschine. Nichts darf mehr nach Kippen riechen.
Dieses leicht obsessive Verhalten hält gut zwei Wochen an. Danach ist mir Rauchen egal. Richtig zugequalmte Raucherkneipen sind nicht mehr meins, aber ich breche nicht mehr in Tränen aus, wenn jemand neben mir eine Zigarette anzündet.
Also ist Hypnose die Rettung für alle Süchtigen? Nein, leider nicht.
Was Hypnose wirklich kann
Die Studienlage ist uneindeutig. So berichtete das „Ärzteblatt“ schon 2009, dass „körperliche Beschwerden, Zahnbehandlungen, Geburtshilfe sowie Operationsvor- und -nachbehandlung“ zu den häufigsten Einsatzgebieten der Hypnotherapie gehören. Auch bei Schmerzen, Ängsten und leichten Depressionen gelte der Einsatz von Hypnose als hocheffizient. Dies würden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen, schreibt das Fachblatt weiter.
Konkret bei der Rauchentwöhnung kann Hypnose helfen – muss aber nicht. In einer systematischen Übersichtsstudie wurde geprüft, ob zwölf Monate nach einer Hypnosebehandlung mehr Personen Nichtraucher waren als nach einer Vergleichsmaßnahme, wie Gruppendiskussionen oder Entspannungsübungen. Das Ergebnis? Die Hypnosegruppe erbrachte keine besseren Ergebnisse.
Dass es nicht immer klappt, zeigen auch die Gespräche, die ich seitdem führe. Tatsächlich haben sich einige Kollegen und Freunde schon hypnotisieren lassen – mit sehr überschaubarem Erfolg. Wer eigentlich gar nicht aufhören möchte, dem wird die Trance wenig helfen. Aber wer wirklich das Laster stoppen will, der bekommt so Unterstützung. Und dann sollte man nicht bis zur nächsten Pandemie warten.