Eine Mehrheit der Deutschen unterstützt Olaf Scholz‘ Plan, deutlich mehr in Verteidigung zu investieren. Die Union äußert aber auch Kritik. Zudem gibt es neue Ideen zur Wehrpflicht.
Die Ampelkoalition kann sich beim Ausbau der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands auf eine satte Mehrheit der Bevölkerung stützen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung PwC sind 68 Prozent der Deutschen allgemein dafür, Deutschland verteidigungsfähiger zu machen. Der Bedarf sei groß: Konkret nach den Investitionen für die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) im März 2022 angekündigte „Zeitenwende“ gefragt, befürworten 57 Prozent Scholz‘ Plan, zwei Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. 31 Prozent sehen dies kritisch. Die Mehrheit (63 Prozent) findet aber, dass die Zeitenwende noch nicht bei der Bundeswehr angekommen sei.
Bei der Studie stützt sich PwC auf eine repräsentative Befragung von jeweils 500 Männern und Frauen zwischen 18 und 65 Jahren am 9. und 10. Januar. Die Ergebnisse knüpfen an eine Untersuchung von 2022 an und liegen der dpa in Berlin vor.
Wolfgang Zink vom Autorenteam der Studie erklärt: „In der Befragung vom Sommer 2022 konnten wir feststellen, wie sehr die Bevölkerung unter dem Schock des russischen Überfalls auf die Ukraine stand, und wie deutlich sich ein Sinneswandel in Verteidigungsfragen vollzog. Die Ergebnisse aus 2024 unterstreichen, dass die Menschen noch immer in großer Sorge sind und mehr Anstrengungen zur Stärkung der Sicherheit wünschen“.
Weniger als die Hälfte nimmt die Bundeswehr positiv wahr
Mehr Soldaten an der Ostflanke der Nato zu stationieren, halten 58 Prozent für eher notwendig, insbesondere bezüglich dessen, Bundeswehrsoldaten in Litauen zu stationieren. Zur Bundeswehr selbst äußerten sich aber nur 45,5 Prozent der Befragten positiv. 2022 nahmen noch 54 Prozent die Bundeswehr positiv wahr.
Ob sich die Ukraine mithilfe des Westens gegen Russland behaupten wird, sehen die Deutschen eher skeptisch: 39 Prozent sehen Chancen. 48 Prozent betrachten die langfristige Widerstandsfähigkeit der Ukraine eher skeptisch.
Sehr skeptisch sind die Befragten im Hinblick darauf, ob die Nato und der Westen ihre Abschreckung gegenüber Russland wie bisher fortsetzen würden, falls Donald Trump erneut US-Präsident wird. Nur 7 Prozent halten die USA diesbezüglich für verlässlich, 15,4 Prozent haben ein eher großes Vertrauen. Eine deutliche Mehrheit von 59,1 Prozent rechnet damit, dass die USA mit einem Präsidenten Trump ihre Hilfe für die Ukraine reduzieren würden. Die SPD-Politikerin Katarina Barley forderte in diesem Zusammenhang kürzlich, eine europäische Atombombe zu diskutieren, wie Sie hier nachlesen können.
Unionsfraktion fordert Strategie für Verteidigungsindustrie
Nicht nur ein Großteil der Bevölkerung ist dafür, Deutschlands Verteidigung zu stärken. Auch in der oppositionellen Union gibt es ähnliche Stimmen. So befürwortet etwa Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) die Investitionen des Rüstungskonzerns Rheinmetall in die Munitionsproduktion. Kanzler Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatten am Montag mit einem symbolischen Spatenstich den Bau einer neuen Fabrik des Konzerns feierlich begonnen. Die Fabrik im niedersächsischen Unterlüß soll jährlich 200.000 Schuss Artilleriemunition herstellen. Ein t-online-Reporter war beim Baubeginn vor Ort, hier können Sie seine Reportage lesen.
Wadephul lobte Scholz und Pistorius dafür, dass sie persönlich beim Baubeginn dabei waren. Allerdings fordert er die Bundesregierung auf, eine Strategie vorzulegen, um die Verteidigungsindustrie zu stärken. „Zwei Jahre nach Verkündung der Zeitenwende wird es höchste Zeit, dass auch die industrielle Grundlage endlich verbreitert wird“, sagte Wadephul der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ am Dienstag. Die Bundeswehr könne nur dann das Rückgrat der konventionellen Verteidigung der Nato in Europa werden, wenn es dafür eine industrielle Basis gebe, die in zunehmenden Mengen modernes Gerät liefert, betonte er.
Kiesewetter: „Wir benötigen eher 300 statt 100 Milliarden Euro“
Wie sich Deutschlands Verteidigungsfähigkeit erhöhen ließe, ist umstritten. Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter zeigt sich offen dafür, den 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bundeswehr deutlich zu erhöhen. „Eine Erhöhung des Sondervermögens für die Bundeswehr würde ich nicht ausschließen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Es ist ja völlig klar, dass wir eher 300 statt 100 Milliarden benötigen, damit die Bundeswehr kriegstüchtig wird.“