Einst saß er als HSV-Fan im Stadion, jetzt ist er plötzlich Chef: Merlin Polzin, in Hamburg geboren, steht vor der größten Chance seiner Karriere.
Noch ist er kein großer Name – aber vielleicht ist er der Zauberer, den der HSV so lange gesucht hat. Mindestens beim Auswärtsspiel in Rostock am Samstag (13 Uhr) sitzt Merlin Polzin als Cheftrainer auf der Bank des Zweitligisten aus dem Hamburger Volkspark. Nicht ausgeschlossen sogar, dass der 33-Jährige, der im Stadtteil Bramfeld aufgewachsen ist, den Job für längere Zeit behält. Dass das der Weg zum Erfolg sein kann, bewies ausgerechnet der FC St. Pauli mit Fabian Hürzeler, der vom „Assi“ zum Chef wurde – und plötzlich schossen die Kiezkicker raketenmäßig an die Tabellenspitze.
HSV-Sportvorstand Jonas Boldt hält jedenfalls große Stücke auf seinen Interimstrainer. „Merlin Polzin bekommt aus voller Überzeugung die Chance und wird – egal in welcher Konstellation – hierbei definitiv eine Rolle spielen. Er bringt viel Inhalt mit und hat in den letzten Jahren viel mitgestaltet. Wir haben in ihm ein großes Trainertalent, das sehr viel mitbringt“, sagte der 42-Jährige am Montag auf einer Pressekonferenz.
Merlin Polzin: Vom HSV-Fan zum Cheftrainer der Profis
Bisher war Merlin Polzin als Trainer in der zweiten Reihe aktiv. 2020 kam er gemeinsam mit Daniel Thioune vom VfL Osnabrück nach Hamburg. Der damalige Chefcoach hielt nicht einmal eine ganze Saison im Amt durch – sein Co-Trainer blieb und wurde zur rechten Hand Tim Walters. „Für mich als Trainer-Persönlichkeit steht, dass ich extrem detailliert, viel, aber auch sehr gerne arbeite. Ich versuche, die Jungs gemeinsam mit dem Trainerteam und den Analyse-Jungs bestmöglich einzustellen“, sagte Polzin einmal über seine eigene Arbeit. Insbesondere im taktischen Bereich wird dem 33-Jährigen eine große Expertise nachgesagt – noch eine Verbindung zu Fabian Hürzeler.
Seit 138 Pflichtspielen trägt Merlin Polzin schon die Raute auf der Brust, im Herzen trägt er sie noch viel länger: Der Bramfelder macht keinen Hehl daraus, dass er als Kind großer HSV-Fan war. „Ich glaube, es gibt nichts, was für mich besonderer sein kann, als für den HSV zu arbeiten“, sagte er 2020 in der „Mopo“. Wenig verwunderlich, dass Merlin Polzin den Interimsjob nun, mehr als drei Jahre später, „mit strahlenden Augen“ zugesagt hat, wie Jonas Boldt verriet.
Nach 23 Jahren sitzt wieder ein Hamburger auf der HSV-Trainerbank
HSV-Trainer war Polzin übrigens schon von 2011 bis 2013 – in der Jugend. Danach ging es für ihn zwecks Lehramtsstudium nach Osnabrück. Dort verfolgte Polzin einmal eine Trainingseinheit der U17 des VfL Osnabrück – trainiert von Daniel Thioune. Es war der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit: Gemeinsam arbeitete sich das Gespann über die U19 bis zu den VfL-Profis hoch, stieg 2019 in die zweite Liga auf und hielt 2020 die Klasse.
Kurios: Noch am 32. Spieltag 2019/20 ärgerten Polzin und Thioune den HSV mit einem 1:1-Unentschieden und klauten ihrem späteren Arbeitgeber die Punkte, die diesem wenig später zur Bundesliga-Relegation fehlten. Auf die könnte Merlin Polzin wohl auch in dieser Saison verzichten – wenn es stattdessen endlich mit dem direkten Aufstieg klappt. Eine „Durststrecke“ des HSV hat der 33-Jährige schon jetzt beendet: Er ist der erste gebürtige Hamburger seit Holger Hieronymus im September 2001, der als Chef auf der „Rothosen“-Bank sitzt.