Der Berliner FDP-Politiker Lars Lindemann verliert seinen Sitz im Bundestag. Ein kurzes Gespräch über freie Zeit, den grünen Koalitionspartner und die Zukunft des Liberalismus.
Die Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin hat kaum zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Bundestags geführt – mit einer Ausnahme: Die FDP-Fraktion verliert einen Sitz, weil die Liberalen in der Hauptstadt extrem viele Wähler verloren haben.
t-online hat mit dem Mann gesprochen, der dieser Entwicklung jetzt zum Opfer fällt. Lars Lindemann, 2021 auf Listenplatz vier der Berliner FDP ins Parlament eingezogen, muss nun seine Sachen packen. Im Interview erklärt er, warum er seiner Partei trotz schlechter Umfragewerte rät, bis zum Ende Teil der Ampelkoalition zu bleiben – zugleich aber selbst nicht noch einmal für ein Bündnis mit den Grünen zu stimmen.
t-online: Herr Lindemann, nach der Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin fliegen Sie aus dem Bundestag, wodurch die FDP als einzige Fraktion einen Sitz im Parlament verliert. Wie groß ist Ihr Schmerz darüber?
Lars Lindemann: Natürlich bin ich enttäuscht, alles andere wäre gelogen. Ich hätte meine Arbeit im Bundestag gern fortgesetzt, aber: Ein solches Mandat erlangt man immer nur auf Zeit – und die kann auch einmal früher zu Ende sein. Das war mir nicht erst mit der Entscheidung der Karlsruher Richter, die die Teilwiederholung der Wahl anordneten, sehr bewusst.
Sie hatten also schon damit gerechnet?
Es war jedenfalls absehbar, dass es sehr eng wird. Das lag vor allem an der schwachen Wahlbeteiligung, mit der viele schon vorab gerechnet hatten. Angesichts der derzeitig schlechten Umfragewerte der FDP war der Weg dann doch zu weit.
Was hat mehr zum Absturz der FDP in Berlin beigetragen – das schlechte Wetter am Wahltag oder die schlechte Performance der Ampel?
Die Umstände dieser Wahl waren widrig, das stimmt schon. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir massiv an Zuspruch verloren haben. Da spielt unsere Beteiligung an der Ampel eine Rolle. Trotzdem habe ich diese Koalition in ihrer Entstehungsphase befürwortet und ich bin auch heute noch der Meinung, dass ein Bündnis mit SPD und Grünen bis zum Ende der Wahlperiode eigentlich gut geeignet ist, um zu zeigen, wofür wir Liberale stehen.
Wir müssen es dann eben auch zeigen, wir müssen sichtbarer werden. Schon allein mit Blick auf das neue Wahlrecht, das bei der nächsten Bundestagswahl 2025 zur Anwendung kommt.
Was genau meinen Sie damit?
Bei der kommenden Bundestagswahl geht es um die Frage, ob die FDP, wie in der Vergangenheit oft geschehen, einen reinen Zweitstimmen-Wahlkampf machen kann. Ich denke, das wird angesichts des veränderten Wahlrechts keine Option mehr sein. Deshalb gilt: Wir müssen für unsere Inhalte deutlich stärker eintreten, auch wenn’s wehtut, und unsere politische Eigenständigkeit zeigen. Stimmensplitting wird es so wie bisher nicht mehr geben.
Aber dann müssten Sie doch Ihren nun Ex-Kollegen in der Fraktion eigentlich raten, das Ampelbündnis aufzukündigen.
Nein, ganz und gar nicht. Man springt nicht aus einem fahrenden Zug, wir haben eine Verantwortung für dieses Land. Der müssen wir uns stellen.
Auch dann, wenn sich im Inneren dieses Zuges alle nur streiten, welchen Bahnhof der Zug eigentlich ansteuern soll?
Auch dann, ja. Natürlich ist das ein Dilemma: Die einen wählen uns nicht mehr, weil wir in der Ampel sind und bleiben und so als falsch empfundene grüne Politik erst ermöglichen. Und die anderen wählen uns nicht, weil es nicht ausreichend gelingt, unsere Handschrift deutlicher zu zeigen. Deshalb würde ich auch sagen: Eine weitere Koalition mit den Grünen sollte die FDP nicht noch einmal eingehen.
Das klingt widersprüchlich, wenn Sie zugleich für den Fortbestand der Koalition sind. Oder meinen Sie damit: einmal Ampel und nie wieder?
Nie wieder würde ich nicht sagen. Aber klar ist: Mit den Grünen auf Bundesebene zu koalieren, ist – Stand heute – toxisch. Mit Teilen des Spitzenpersonals, das die Grünen heute haben, ist es für uns nicht nur sehr schwer. Es ist toxisch für Deutschland.