Regierungsmitglieder diskutieren kulinarische Vorlieben selten öffentlich, doch zwischen Frankreich und Spanien gibt es derzeit einen Schlagabtausch um die Frage nach den besten Tomaten.
Frankreichs ehemalige Umweltministerin und Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal bezeichnete im TV-Programm des Senders „bfmtv“ spanische Tomaten als „ungenießbar“. Dies war aber nicht nur kulinarisch gemeint: „Spanisches Bio ist ein gefälschtes Bio. Spanisches Obst und Gemüse entspricht nicht den französischen Standards“, sagte Royal.
Während Frankreich auf die Reduzierung umweltschädlicher Pestizide setze, sind diese in Spanien erlaubt. Royal sprach blumig von einer „Respektlosigkeit seitens spanischer Produkte, die diese Standards skandalös nicht erfüllen“.
12 Millionen Euro Schaden durch Vandalismus
Das Thema führt in Frankreich zu viel Wut auf den Straßen und in Spanien zu großen finanziellen Verlusten. Denn die vermeintlich unterschiedlichen Produktionsbedingungen treiben die empörten Bauern Frankreichs in den letzten zwei Wochen auf die Straße. Sie fürchten, durch die strengere Pestizid-Gesetzgebung in Frankreich benachteiligt zu werden. Die Bauern protestieren allerdings nicht nur, es gibt auch Angriffe auf spanische Lastwagen, bei denen die Ladung weitestmöglich zerstört wird.
Der spanische Gütertransportverband CETM spricht von einem Schaden von rund 12 Millionen Euro pro Tag durch den Vandalismus an den geladenen Waren. Viele spanische Lkw-Fahrer weigern sich derzeit, nach Frankreich zu fahren. Die spanische Presse nennt die Vorgänge einen „Agrar- und Ernährungsnationalismus“.
„Das ganze Jahr Sonne“
„Ecovlia“, eine Vereinigung von spanischen Bio-Bauern, hat derweil in Brüssel eine Beschwerde gegen Ségolène Royal eingereicht: „Wir können nicht zulassen, dass unbegründete Erklärungen einen ganzen Sektor ruinieren“. Ein Bauer des Verbandes kommentiert: „Die Dame hat ein Geschmacksproblem. Im Gegensatz zu Frankreich und anderen Orten scheint bei uns das ganze Jahr die Sonne. Das ist auch der Grund – neben den strengen Regulierungen –, wieso unsere Tomaten so schmecken.“
Selbst der spanische Premierminister Pedro Sánchez trat zur Verteidigung von „el tomate español“ an. Auf einer Pressekonferenz in Brüssel kommentierte er: „Ich glaube, Frau Royal hatte nicht das Glück, die spanische Tomate zu probieren.“ Weiter sagte er: „Ich lade sie ein, nach Spanien zu kommen und eine der spanischen Tomatensorten zu probieren, und sie wird sehen, dass die spanische Tomate unschlagbar ist.“
Während sich Spanien und Frankreich über die Frage streiten, ob die Produktionsbedingungen in Spanien günstiger sind – eigentlich gelten EU-weit die gleichen Regeln –, freut sich Marokko: Durch ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Marokko stieg die Menge der exportierten Tomaten. Im Jahr 2022 exportierte Marokko etwa 740 Millionen Kilo Tomaten in die EU, wobei Frankreich Hauptimporteur war, während Spanien seinen Platz als Hauptlieferant von Tomaten in der EU verlor.