München In der Chipindustrie gibt es ausreichend Grund zum Feiern: kaum ein Konzern, der den Umsatz im vergangenen Jahr nicht um mindestens ein Viertel gesteigert hat. Nur bei Intel, dem langjährigen Branchenführer, dümpelt das Geschäft vor sich hin.
Vor quick genau einem Jahr ist Pat Gelsinger als neuer Konzernchef angetreten, die einstige Ikone der Halbleiterindustrie wieder aufzurichten. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass es eine zähe und vor allem sehr teure Aufholjagd wird.
Gelsinger investiert Milliarden Greenback, um konkurrenzfähigere Werke zu bauen. Das wissen die Analysten schon lange. Dass die Neubauten aber so schnell so viel Geld verschlingen, damit hatten die Banker nicht gerechnet. So teilte Gelsinger am Mittwochabend mit, der Gewinn im laufenden Quartal werde lediglich 80 Cent je Aktie betragen, sechs Cent weniger, als die Experten an der Wall Avenue vorhergesagt hatten.
Immediate drehte der Aktienkurs im vorbörslichen Handel am Donnerstag ins Minus. Bisher gehörte Intel zu den ganz wenigen Chipaktien, die dieses Jahr einen Gewinn verbuchen konnten. Es hat seinen Grund, dass die Investoren so dünnhäutig sind, wenn es um die Profitabilität des Konzerns aus dem Silicon Valley geht: Über zwei Jahrzehnte battle Intel die Gewinnmaschine der Chipindustrie.
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TSMC hat Intel abgehängt
In den vergangenen Jahren ist der Auftragsfertiger TSMC jedoch technisch an Intel vorbeigezogen. Von den Taiwanern beziehen die wichtigsten Konkurrenten ihre Chips, allen voran AMD und Nvidia. Die Rivalen legten 2021 in großem Stil zu, während Intel sich mit einem Umsatzplus von einem Prozent zufriedengeben musste. Der Gewinn ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht geschrumpft.
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Mit gewaltigen Investitionen macht sich Gelsinger nun auf, TSMC wieder zu überholen. Erst vergangene Woche kündigte er den Bau zweier Fabriken für 20 Milliarden Greenback in Ohio an. Langfristig könnten im Mittleren Westen der USA sogar Werke für 100 Milliarden Greenback entstehen.
Der Stanford-Absolvent ist zwar erst seit einem Jahr CEO, kennt sich bei Intel aber ausgezeichnet aus. Er battle 30 Jahre lang bei dem Konzern tätig, ehe er Intel 2009 verließ. Er wechselte zunächst zu EMC, ab 2012 führte er VMware, einen Softwareanbieter. Anfang 2021 entschied der Verwaltungsrat schließlich in höchster Not, Gelsinger zurückzuholen.
Intern sei das sehr intestine angekommen, heißt es unter den Mitarbeitern. Im Gespräch mit Intel-Beschäftigten ist häufig von Aufbruchstimmung die Rede. Gelsinger bezeichnet sich angesichts seiner Wurzeln auf dem Land selbst als „Bauernjunge“, nennt sich „stolzer Großvater“ und verschickt als gläubiger Christ jeden Sonntag einen Tweet mit einem Spruch aus der Bibel.
Die Investoren schauen auf den Gewinn
Gelsinger zeigt sich zudem sehr viel häufiger als seine Vorgänger in der Öffentlichkeit. Erst vergangene Woche trat er zusammen mit US-Präsident Joe Biden auf. Beide eint der Wunsch, die amerikanische Chipindustrie mit viel Geld zu fördern und damit wettbewerbsfähiger zu machen. Allerdings blockiert das Parlament bislang die Pläne.
Mehrfach bereiste der 60-jährige Gelsinger zahlreiche europäische Hauptstädte, um für eine Ansiedlung von Intel in Europa zu werben. „Wir benötigen Unterstützung der Mitgliedsländer und der EU“, sagte Gelsinger vergangenes Jahr. „Wir können das nicht allein.“ Denn in Asien würden die Chiphersteller mit üppigen Hilfen angelockt.
Ursprünglich wollte der Amerikaner die Standorte für seine Investitionen in Europa Ende 2021 verkünden. Daraus wurde nichts. Offenbar hat der Supervisor das Dickicht aus unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen in der EU unterschätzt. Gelsinger will über ein Jahrzehnt hinweg in Europa für rund 100 Milliarden Greenback Werke errichten. Dafür verlangt er etwa 40 Milliarden Greenback an Subventionen.
Die Investoren dagegen interessiert vor allem, wann Intel wieder so profitabel wie in den guten alten Zeiten sein wird, als der Prozessorspezialist die Branche noch unangefochten dominierte. Gelsinger sprach am Mittwoch von fünf Jahren, bis Intel zurück auf dem früheren Niveau sei.
Überraschend ist dieser lange Zeitraum nicht. Bis eine neue Chipfabrik läuft, vergehen mindestens drei Jahre. Und die Grundstücke für die neuen Werke in Europa hat Gelsinger noch nicht einmal gekauft.
Kein Wunder, dass der Chef um Geduld bittet: „Wir sind weiterhin bestrebt, langfristiges, nachhaltiges Wachstum voranzutreiben.“
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