Am Freitag spielten Electric Callboy im Berliner Velodrom – und verwandelten die Arena in ein hüpfendes Meer aus Perücken und Ballonseide.
Eine Konzertkritik von Tobias Eßer
Etwa 7.000 Menschen drängen sich am Freitagabend in der Warteschlange vor dem Berliner Velodrom. Die Masse ist bunt gemischt – von älteren Herren in Jeanskutten mit zahlreichen Aufnähern von Metal-Bands über Frauen in glänzenden Kleidern bis hin zu jungen Menschen in schwarzer Gothic-Kleidung findet man in der Menge vor der Arena eigentlich alles.
Insbesondere die Zahl an Menschen, die sich mit Perücken und 80er-Jahre-Sportkleidung in Schale geschmissen haben, fällt auf. Über die durchmischte Menschenmenge wundert sich hier allerdings niemand – denn an diesem Freitag findet keine normale Metalcore-Show im Velodrom statt, sondern ein Konzert von Electric Callboy.
Die Band aus dem nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel hat in den vergangenen Jahren einen kometenhaften Aufstieg hingelegt. Seit der Veröffentlichung ihres Liedes „Hypa Hypa“ im Jahr 2020 ist Electric Callboy auch international bekannt – nach der Deutschlandtour im Februar und März 2024 geht es für sechs Shows in die USA und nach Kanada, weitere internationale Konzerte folgen im Sommer.
Ein wilder Stilmix
Überraschend kommt der Erfolg der Band nicht. Denn mit der unterhaltsamen Mischung aus elektronischer Tanzmusik, Metalcore und einigen Elementen aus dem Schlager haben die Jungs aus Castrop-Rauxel einen ganz eigenen Sound erschaffen, der sie von anderen Genrevertretern abhebt. Bekannt sind Electric Callboy außerdem für ihre energiegeladenen Konzerte.
Dass die etwa 7.000 Menschen im ausverkauften Velodrom richtig Bock auf Party haben, wird direkt beim ersten Lied nach dem Intro klar. War die Stimmung bei den Support-Bands noch etwas schnarchig, explodiert die Halle beim ersten richtigen Song von Electric Callboy, „MC Thunder II“.
Zu Beginn des Songs bilden die Menschen in den vorderen Reihen eine große Moshpit – einen Kreis, in dem sie sich gegenseitig schubsen. Es ist viel Bewegung im Publikum und zusammen mit der spektakulären Lichtshow vom Team hinter Electric Callboy wirkt der Innenraum des Velodrom wie ein Meer aus Perücken und Ballonseide.
Die La-Ola-Welle schwappt durchs Velodrom
Man muss es Electric Callboy hoch anrechnen, dass sie es über etwas mehr als 90 Minuten konstant schaffen, die Energie auf und vor der Bühne hochzuhalten. Zum Song „Spaceman“ bildet die Crowd eine sogenannte „Wall of Death“ – eine Lücke im Publikum mit zwei sich gegenüberstehenden Seiten, die beim Einsetzen des Songs wild aufeinander zustürmen. Nach „Spaceman“ schwappt die La-Ola-Welle durch das Velodrom.
Nach etwa dem ersten Viertel des Konzerts feuern Electric Callboy ihren ersten großen Hit ab: Eine Coverversion von „Everytime we touch“ der Bonner Electro-Gruppe Cascada. Die Halle grölt jede Zeile des Liedes frenetisch mit, wildfremde Menschen liegen sich im Publikum plötzlich in den Armen.
Die liebevolle Stimmung setzt sich fort und greift auf die Bühne über, wo sich die beiden Electric-Callboy-Sänger Nico und Kevin zum Song „Castrop X Spandau“ küssen. Immer wieder fällt auf, dass sowohl Band als auch Publikum viel Spaß auf dem Konzert haben. Kevin und Nico geben zwischen den Songs immer wieder kurze, spontane Kommentare zum Geschehen vor der Bühne ab, die mit Lachen und Klatschen belohnt werden.
Diskofox zu Metalcore
Zum Ende des Abends wird es besonders spektakulär. Auf ihre Version des Kinderhits „Let it go“ aus dem Disneyfilm „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ folgt ein Cover des Backstreet-Boys-Hits „I Want It That Way“. Aus großen Rohren schießt dazu Konfetti ins Publikum und Luftschlangen fallen von der Decke des Velodroms. Die Fans geben noch mal alles und zaubern eine große Moshpit aufs Parkett.