Aufregung um Bußgeldbescheide, die es eigentlich gar nicht geben dürfte: Wie kam ein Inkasso-Unternehmen an die Daten von etlichen Autofahrern?
Das Wichtigste im Überblick
Nach dem Urlaub in Großbritannien und einer Fahrt durch London haben zahlreiche Mitglieder des ADAC plötzlich Post mit Geldforderungen eines Inkasso-Unternehmens im Briefkasten vorgefunden. Die private Firma handelt im Auftrag der Londoner Verkehrsbetriebe und geht gegen angebliche Verstöße gegen die Auflagen der Londoner Umweltzonen vor.
Doch eigentlich ist das gar nicht möglich: Denn seit dem Brexit gibt es keine Grundlage mehr für die Weitergabe von Daten europäischer Fahrzeughalter an Großbritannien – solange es sich nicht um strafrechtlich relevante Verstöße handelt. Trotzdem wurden einem Bericht des britischen „Guardian“ zufolge seit 2021 etwa 320.000 Bußgeldbescheide wegen angeblicher Verstöße gegen die Umweltzonen LEZ und ULEZ an Fahrzeughalter in der EU ausgestellt – mit teils fünfstelligen Forderungen.
So kam das Unternehmen an die Daten
Wie kann das möglich sein? Wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte, wurden die Daten der Fahrzeughalter über eine „aus hiesiger Auffassung rechtswidrige“ Nutzung des europäischen Halterdatenaustauschs CBE in Italien an ein britisches Inkasso-Unternehmen weitergeleitet. Vor diesem Hintergrund erteile Deutschland zurzeit keine CBE-Auskünfte an Italien, so das KBA.
Wie viele Deutsche genau betroffen sind, ist noch unklar. Dem ADAC zufolge haben die Betroffenen in vielen Fällen versäumt, ihr Auto vorab für die Londoner Umweltzonen zu registrieren.
Umweltzonen in London: Daran müssen Urlauber denken
Wer mit dem Auto in den Urlaub nach England fährt und dabei auch London besuchen will, sollte nicht unbedacht ins Stadtgebiet fahren. Touristen müssen ihr Fahrzeug vorher anmelden. Im Ausland zugelassene Kfz müssten online für die „Ultra Low Emission Zone“ (ULEZ) registriert werden, so der ADAC.
Dies gilt auch dann, wenn sie die Abgasnormen dieser das gesamte Stadtgebiet umfassenden Umweltzone erfüllen. Der Hintergrund sei, dass im Rahmen der automatischen Kameraüberwachung nur Fahrzeuge mit britischem Kennzeichen erkannt werden können. Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß müssten eine Abgabe zahlen.
Wer sein Fahrzeug nicht registriert, riskiert empfindliche Bußgelder von 180 Pfund pro Tag (rund 210 Euro). Um das Fahrzeug zu prüfen und anzumelden, findet man alle Informationen unter diesem Link.
Gut zu wissen: Der Autobahnring M25 liegt nicht in der Umweltzone. Wer also an London vorbeifährt, beispielsweise auf dem Weg nach Schottland, muss nichts beachten.
Neben der ULEZ hat London auch noch eine Citymaut-Zone im Innenstadtbereich, wo für alle Kraftfahrzeuge zu bestimmten Zeiten Gebühren anfallen, die vorher online oder per App bezahlt werden müssen – ausgenommen sind laut ADAC Motorräder und Mopeds.
So können Sie sich gegen die Forderungen wehren
„Erhält man im Anschluss daran solche Forderungen, ist es ratsam, Einspruch einzulegen und anhand der Fahrzeugpapiere zu belegen, dass es sich um einen Pkw handelt, beziehungsweise, dass zumindest die Emissionsklasse eingehalten wird“, so der ADAC. Es sei eine nachträgliche Registrierung empfehlenswert. Eine zwangsweise Eintreibung der Forderungen in Deutschland sei nicht möglich.
Der ADAC sieht die Eintreibung öffentlich-rechtlicher Bußgelder durch private Inkasso-Unternehmen insgesamt kritisch. Besonders aus Italien sei die Praxis bekannt, hieß es. Deswegen führt der Club derzeit Musterverfahren beim Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen.