Eigentlich will CDU-Chef Merz mit der Ampel nicht länger zusammenarbeiten. Doch jetzt hat Vizekanzler Habeck einen Vorschlag gemacht, über den mancher in der Unionsfraktion sagt: Das kann man nur schwer ablehnen.
Als Robert Habeck (Grüne) am Donnerstagmorgen ans Rednerpult tritt, sind die Reihen der Unionsfraktion, die er gleich ansprechen wird, noch ziemlich leer. Nicht schlimm. Für Habeck ist eigentlich nur wichtig, dass ein Mann da ist – und der sitzt ganz vorne: Friedrich Merz.
Habeck fängt an, sagt ein paar Sätze, dann aber steht der CDU-Chef auf und schickt sich an, das Plenum zu verlassen. Also sagt Habeck noch schnell: „Jetzt, wo Herr Merz gerade geht, lassen Sie mich auf die gestrige Debatte zurückkommen.“ Sein Blick wandert hinter dem Oppositionsführer her. Doch der lässt sich auf seinem Weg hinaus nicht aufhalten.
Habeck fährt fort, sagt über den gerade Verschwundenen, es sei ein Fehler, dass Merz nicht mehr mit der Ampel zusammenarbeiten wolle, das hatte der Gescholtene am Mittwoch groß verkündet. Die Union, so Habeck, müsse auf kurz oder lang sowieso wieder nach Partnern suchen. Zumal die Kommunikation mit den Ministerpräsidenten exzellent funktioniere.
Habeck: „Was wäre, wenn wir ein Sondervermögen einführen?“
Und dann kommt der Wirtschaftsminister zum Punkt: „Lassen Sie mich einen Vorschlag machen“, sagt Habeck. Es geht um die Schuldenbremse. Dass eine Reform trotz vielfacher Befürworter gerade unwahrscheinlich ist, das sehe er. Aber Habeck hat eine andere Idee: „Was wäre, wenn wir ein Sondervermögen einführen?“, fragt er ins Plenum. Eines zur Entlastung der Wirtschaft, für Steuervergünstigungen etwa oder leichtere Abschreibungsmöglichkeiten.
In den Reihen der Union beginnt Gejohle. Jetzt ist Habeck der, der sich nicht beirren lässt. „Wir brauchen ein gemeinsames Gespräch. Um das bitte ich und dazu lade ich ein.“ Wer nun in die Gesichter der Abgeordneten sieht, dem fällt zumindest das ein oder andere Stirnrunzeln auf.
Merz: „Ersparen Sie sich und uns Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit“
Eigentlich hat Merz der Ampel am Mittwoch eine Absage für die weitere Zusammenarbeit erteilt. Die Union empfand die Kommunikation mit der Regierung in der vergangenen Monaten weder als konstruktiv noch vertrauensfördernd. So warf der CDU-Chef dem Kanzler nach dem gescheiterten Deutschlandpakt zur Begrenzung der Migration vor, es nie wirklich ernst gemeint zu haben. Während der Generaldebatte im Bundestag betonte Merz noch einmal: „Bitte ersparen Sie sich und uns Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit.“
Aus Merz‘ Perspektive war Scholz dabei gleich zweimal unehrlich: beim besagten Deutschlandpakt, aber auch beim 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, das der Bundestag kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine aufgelegt und im Grundgesetz verankert hatte. Die Erzählung der Konservativen, die Sicht von Merz: Die Ampel habe sich hier von der Union erst zu einer Zweidrittelmehrheit verhelfen lassen, das Geld dann aber anders ausgegeben, als es ursprünglich vereinbart gewesen sei.
Die Ampel-Politiker sehen das zwar anders. Aber unabhängig davon, wer am Ende mehr oder weniger Recht hat, wird in den Gesprächen mit beiden Seiten deutlich, dass das Vertrauen kaputt ist. Warum startet Habeck also jetzt noch einmal einen Versuch zur Zusammenarbeit? Und kann er die Union mit einem Sondertopf für die Wirtschaft eventuell doch nochmal locken?
Darum geht es bei Habecks Idee
Bei dem Vorschlag, den Habeck diesen Donnerstag gemacht hat, handelt es sich um eine nicht ganz neue Idee. In den Grundzügen geht sie so: Die deutsche Wirtschaft, vor allem die Industrie, steht vor enormen Herausforderungen und muss viel Geld in die Hand nehmen, wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll. Nach Schätzungen des Ökonomen Jens Südekum, der Habeck berät, dürfte dafür in den nächsten zehn Jahren die unvorstellbare Summe von rund 1,5 Billionen Euro fällig werden.
Während viele in der FDP und auch in der Union finden, dieses Geld müssten die Unternehmen selbst aufbringen, der Staat sollte sie dabei primär durch gute und klare Rahmenbedingungen – geringe Steuern, weniger Bürokratie, einen CO₂-Zertifikatehandel – unterstützen, ist Habeck ein Verfechter staatlicher Subventionen. Wie Joe Biden in den USA will er den Unternehmen unter die Arme greifen und mit Fördergeldern die „Klimatransformation“ staatlich lenken.