Das neue Buch des Rechtsextremen Martin Sellner steht schon vor Veröffentlichung auf Platz eins der Amazon-Bestsellerliste. Will der Versandhändler das Buch tatsächlich verkaufen?
Recherchen zum Geheimtreffen von Rechtsextremen und Politikern der AfD in Potsdam im vergangenen Herbst haben bundesweit Entsetzen hervorgerufen. Seit gut drei Wochen gehen in der Bundesrepublik jeden Tag Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Doch offenbar beschert die große öffentliche Aufmerksamkeit auch den rechtsextremen Akteuren selbst Zulauf – und lässt bei ihnen wohl die Kasse klingeln.
Der österreichische Rechtsextremist und führende Kopf der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, veröffentlicht am 1. März im Verlag Antaios sein neues Buch. Es trägt den Titel „Remigration: Ein Vorschlag“. Beim Online-Versandhändler Amazon wird das Buch bereits vier Wochen vor Veröffentlichung auf Platz eins der Bestseller in der Kategorie Bücher geführt.
Der Begriff „Remigration“ wird seit Veröffentlichung der „Correctiv“-Recherchen zu dem rechtsextremen Geheimtreffen breit diskutiert. Wenn Rechtsextremisten ihn verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft – auch unter Zwang – das Land verlassen soll. „Remigration“ wurde zudem Mitte Januar zum „Unwort des Jahres“ gekürt (t-online berichtete) – noch mehr Aufmerksamkeit für einen rechtsextremen Kampfbegriff. Will Amazon einem Pamphlet zu diesem Thema tatsächlich eine Plattform bieten?
Amazon: „Prüfen jedes Buch, wenn Bedenken geäußert werden“
Offenbar ja. Ein Amazon-Sprecher teilt auf Anfrage von t-online mit, dass das Unternehmen „fest an Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion“ glaube. Deshalb habe man sich dazu entschieden, „ein sehr weitreichendes Spektrum an Büchern zuzulassen – auch Titel, die im Widerspruch zu unseren Werten und den Standpunkten unseres Unternehmens stehen“, so der Sprecher weiter. „Wir glauben, dass es möglich ist, beides zu tun.“
Der Amazon-Sprecher verweist dabei auf die Richtlinien des Unternehmens für Inhalte. Diese bestimmen demnach, welche Bücher auf der Plattform angeboten werden können. „Und wir prüfen sofort jedes Buch, wenn Bedenken geäußert werden“, so der Sprecher. Man wolle so auch mit dem neuen Buch Martin Sellners verfahren, sobald es verfügbar ist. „Um die Einhaltung unserer Richtlinien sicherzustellen, investieren wir viel Zeit und Ressourcen, und wir entfernen Bücher, die diesen Richtlinien nicht gerecht werden“, teilt der Sprecher mit.
Laut den Richtlinien von Amazon für Bücher werden „bestimmte Inhalte“ von dem Unternehmen gar nicht erst verkauft. Dazu gehören unter anderem solche Inhalte, die als „Hassrede“ eingestuft werden.
Amazon könnte Rechtsextremen viel Geld bescheren
Dass Amazon erst bei Hinweisen auf Nichteinhaltung seiner Richtlinien die angebotenen Inhalte überprüft, hatte bereits in der jüngeren Vergangenheit für Aufsehen gesorgt. So vertrieb der Hamburger Attentäter Philipp F., der in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in der Hansestadt Anfang 2023 sieben Menschen und sich selbst erschoss, auf der Plattform ein wohl selbstverfasstes Buch. In diesem standen antisemitische Thesen, außerdem wurde etwa Adolf Hitler als Werkzeug Christi bezeichnet. Mehr dazu lesen Sie hier.
Der Inhalt von Sellners neuester Publikation ist noch nicht bekannt. Es soll erst Anfang März erscheinen. Der Titel und der Verlag, in dem das Buch erscheint, lassen jedoch erahnen, in welche Richtung das Buch stoßen könnte. Sellner veröffentlicht das Buch wie andere Werke zuvor auch im Verlag Antaios, der im sachsen-anhaltinischen Schnellroda sitzt. Der Verlag wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. An der Spitze steht der Rechtsextremist Götz Kubitschek, der als Kopf der Neuen Rechten im deutschsprachigen Raum gilt. Mehr zu Kubitschek und seinen Verbindungen in die rechte Szene lesen Sie hier.
Amazon führt mehrere Titel des Verlags in seinem Angebot. Darunter findet sich auch das Buch des Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah. Der Politiker vertritt darin offen Thesen über einen angeblichen „Bevölkerungsaustausch“ und legt die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland nahe – auch wenn diese die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Mehr dazu lesen Sie hier.