Im vergangenen Jahr waren mehr Menschen länger und öfter krank als je zuvor. Das melden die Krankenkassen. Für die deutsche Wirtschaft ist das verheerend.
Der Krankenstand ist laut den Krankenkassen DAK, TK und KKH 2023 auf einen neuen Höchststand gestiegen. Im Schnitt sei jeder Beschäftigte im vergangenen Jahr 20 Tage krank gewesen, teilte die DAK am Freitag in Hamburg mit.
Deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer war demnach mindestens einmal krankgeschrieben, 64 Prozent sogar mehrfach. Nur rund ein Drittel der Beschäftigten war 2023 gar nicht krank. Die Fehltage liegen demnach weiter deutlich über dem Niveau der Jahre vor der Corona-Pandemie.
Jeden Tag waren 55 von 1.000 Menschen krank
Insgesamt lag der Krankenstand bei 5,5 Prozent. Das bedeutet, dass an jedem Tag zwischen Januar und Dezember 2023 im Schnitt 55 von 1.000 Arbeitnehmern krank waren. Menschen in der Alterspflege hatten laut Daten der DAK mit 7,4 Prozent den höchsten Wert. Dahinter folgen Kita-Beschäftigte mit 7,0 Prozent. Am wenigsten waren Beschäftigte in Informatikberufen und in der Kommunikationstechnologie krank. Der Krankenstand lag dort bei 3,7 Prozent.
Grund für die gestiegenen Zahlen waren vor allem Atemwegserkrankungen wie Erkältungen. Jeder sechste Fehltag wurde durch eine Erkältung verursacht. Dahinter folgten Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Sie stiegen um fünf Prozent an. Psychische Erkrankungen wuchsen im Vergleich zu 2022 um 7,4 Prozent. 2023 gab es deswegen 323 Fehltage pro 100 versicherten Beschäftigten.
„Auch wenn das Ergebnis nach den Erkältungswellen im Frühjahr und Herbst nicht überraschend kommt, ist es für die Wirtschaft alarmierend“, erklärte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Das Problem dabei seien nicht aktuelle Kurzzeiterkrankungen wegen Bronchitis oder anderen Atemwegserkrankungen, sondern Langzeitfälle. Nötig sei mehr betriebliches Gesundheitsmanagement.
Krankheitsfälle drücken Deutschland in Rezession
Krankheitsbedingte Ausfälle von Arbeitnehmern hätten in Deutschland 2023 einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von 26 Milliarden Euro verursacht, erklärte der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) am Freitag. Dies habe die Wirtschaftsleistung um 0,8 Prozentpunkte gedrückt.
Das bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft andernfalls nicht in die Rezession gerutscht wäre. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verringerte sich das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 0,3 Prozent – „ohne die Ausfälle wäre das Bruttoinlandsprodukt leicht um 0,5 Prozent gewachsen“, erklärte der VFA.
Die deutsche Wirtschaft schwächele ohnehin im Vergleich zu den anderen Industrienationen, erklärte der Verband. „Bereits seit geraumer Zeit ist der Krankenstand so hoch, dass krankheitsbedingte Ausfälle nicht mehr ohne Weiteres mit den üblichen Mitteln wie Überstunden und Umstrukturierungen aufgefangen werden können.“
TK meldet erschreckende Zahlen
Auch die mitgliederstärkste gesetzliche Krankenkasse, die Techniker (TK), meldete am Freitag einen neuen Höchststand beim Krankenstand für das Jahr 2023. „Jede bei der TK versicherte Erwerbsperson war 2023 im Schnitt 19,4 Tage krankgeschrieben“, erklärte die Kasse.
19,0 Fehltage im Jahr 2022 waren demnach der bisherige Höchstwert seit Beginn der Auswertungen im Jahr 2000. 2019 lag der Schnitt noch bei 15,4 Tagen.
„Hauptgrund für die hohen Fehlzeiten sind wie im Vorjahr Krankschreibungen aufgrund von Erkältungskrankheiten wie grippale Infekte, Bronchitis oder Grippe. Sie machen mehr als ein Viertel der Fehltage aus“, sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „Es gab zwar einen leichten Rückgang im Vergleich zu 2022. Aber die Erkältungskrankheiten haben Deutschland nach wie vor im Griff.“
KKH-Mitglieder zweimal krankgeschrieben
Bei der Krankenkasse KKH stieg die Zahl der Krankmeldungen im vorigen Jahr ebenfalls. Je 100 Mitglieder zählte sie 204 Krankheitsfälle, wie sie am Freitag in Hannover mitteilte. Im Schnitt war jedes Mitglied demnach zweimal krankgeschrieben. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Fallzahl um knapp 14 Prozent. Die Fehlzeiten bleiben mit 2.392 Tagen pro 100 Versicherte auf hohem Niveau. Die durchschnittliche Fehlzeit betrug 11,7 Tage. 2022 hatte der Wert noch bei 13,1 Tagen gelegen.
19 Prozent der Fehlzeiten gingen auf Atemwegserkrankungen zurück. Antje Judick von der KKH warnte zugleich vor einem „Dominoeffekt“. Häufige und lange Arbeitsausfälle bedeuteten für die gesunden Kolleginnen und Kollegen eine Zusatzbelastung, da sie die Arbeit auffangen müssten. Das könne zu Überlastung, Erschöpfung und weiteren Krankmeldungen führen, erklärte die Expertin.