Nach seiner Tätlichkeit gegen Leroy Sané könnte Union-Trainer Nenad Bjelica lange gesperrt werden. Die Szene erinnert an eine Situation, die schon 18 Jahre zurückliegt.
Es war die Aufregerszene beim Bundesliga-Nachholspiel zwischen dem FC Bayern und Union Berlin: Gästetrainer Nenad Bjelica und DFB-Star Leroy Sané gerieten an der Seitenlinie rund 20 Minuten vor Schluss aneinander. Dem Kroaten brannten die Sicherungen durch: Er griff Sané gleich zweimal mit der Hand ins Gesicht und sah im Anschluss die Rote Karte.
Bjelica, der erst Ende November 2023 das Traineramt bei den „Eisernen“ übernommen hatte, droht nun eine lange Sperre. Denn: Für eine Tätlichkeit, also ein Vergehen wie Treten, Schlagen, Stoßen, Beißen oder Spucken, sind im Normalfall mindestens sechs Wochen und bis zu sechs Monate vorgesehen. Das geht aus den Regularien des Deutschen Fußball-Bundes hervor. Die Dauer der Strafe richtet sich dabei nach der Schwere des Vergehens. Und danach, ob bereits Vorstrafen vorliegen.
Schwere des Vergehens entscheidend
Wie schwer das Vergehen letztlich gewertet wird, entscheidet der DFB-Kontrollausschuss. Bjelica hat zwar keine bekannten Vorstrafen im Profifußball. Fakt ist aber: Er griff Sané eben nicht nur einmal, sondern gleich zweimal ins Gesicht. Bisher machte er auch keine Anstalten, sich beim Nationalspieler zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil.
Entschuldigen müsse er sich bei seiner Mannschaft, sagte der Coach. Aber: „Bei Sané nicht. Er kommt in den Raum, um mich zu provozieren“, so Bjelica. Auch diese Faktoren könnten Einfluss auf die Dauer der Sperre haben.
Was Bjelica wiederum in die Karten spielen könnte, ist die Chance auf Milderung. Da dem Union-Trainer nach der Tätlichkeit eine Provokation Sanés vorausging, könnte die Sperre weniger lang ausfallen. Beim DFB heißt es: „Wenn gegen den Spieler unmittelbar vor seinem Vergehen eine sportwidrige Handlung durch den Gegenspieler begangen wurde, wird die Mindeststrafe in der Regel auf drei Spiele herabgesetzt.“ Diese Aussage dürfte sich auch auf Trainer anwenden lassen, die tätlich geworden sind.
Der Fall Norbert Meier
Dass der DFB in seinen Statuten hinsichtlich Strafmaßen im Grunde nur über Tätlichkeiten von Spielern spricht, dürfte daran liegen, dass Tätlichkeiten von Trainern eher eine Seltenheit sind. Waren Trainer in Auseinandersetzungen mit Spielern involviert, wurden sie meist entweder selbst Opfer eine Tätlichkeit oder inszenierten sich als solches.
Der ehemalige Frankfurter David Abraham beispielsweise rannte im November 2019 Freiburg-Trainer Christian Streich im Volltempo um. Der Bodycheck hatte Folgen. Abraham musste 25.000 Euro Geldstrafe zahlen und wurde für sieben Wochen gesperrt. Ex-Leverkusen-Coach Heiko Herrlich musste 2017 wiederum 12.000 Euro zahlen, nachdem er nach einem leichten Schubser von Gladbachs Denis Zakaria eine Schauspieleinlage hinlegte und theatralisch zu Boden sank. Gesperrt wurde er nicht.
Anders erging es vor etwas mehr als 18 Jahren Norbert Meier. Der heute 65-Jährige schaffte im Dezember 2005 einen Präzedenzfall, der wiederum auch richtungsweisend für das Strafmaß im Fall Bjelica sein könnte. Meier war damals Trainer beim damaligen Bundesligisten MSV Duisburg. Im Spiel gegen den 1. FC Köln ließ er sich zu einer noch nie zuvor gesehenen Kombination aus Unsportlichkeit und Schauspielerei hinreißen.
Köln-Profi Albert Streit war mit Meier an der Seitenlinie aneinandergeraten. Der Trainer versetzte dem Spieler dabei einen Kopfstoß und ließ sich im Anschluss selbst fallen. Streit sah die Rote Karte. Für sein Vergehen wurde Meier aber im Nachgang belangt. Die TV-Bilder hatten ihn überführt. Er musste deshalb 12.500 Euro zahlen und wurde für drei Monate gesperrt. Duisburg entließ seinen Übungsleiter und stieg am Ende der Spielzeit ab. Ein Schicksal, das im schlimmsten Fall auch Bjelica und Union Berlin im Mai 2024 drohen könnte.