Die Fahne der Landvolkbewegung taucht seit Jahren auf Protesten von Bauern auf. Dabei gilt die Bewegung als Wegbereiter für den Erfolg der Nationalsozialisten.
Wenn in diesen Tagen die Bauern ihre Wut über die Streichungen der Agrarsubventionen auf die Straße tragen, taucht eine Fahne immer wieder auf: Ein weißer Pflug, durchstoßen von einem roten Schwert auf schwarzem Grund. Es ist die historische Fahne der Landvolkbewegung.
Das weckt ungute Erinnerungen. Denn die Landvolkbewegung war eine militante Bauernbewegung der späten 1920er Jahre. Bekanntheit erlangte sie durch Sprengstoffanschläge auf Einrichtungen der ihr verhassten Weimarer Republik. Daher gibt es viel Kritik an Bauern, die Symbole der völkischen und antisemitischen Bewegung nutzen – von Politikern, Historikern, aber auch von Bauern selbst.
Der Düsternbrooker Historiker Alexander Otto-Morris etwa hat kein Verständnis dafür, dass die schwarze Fahne mit Pflug und Schwert heute noch weht. Zwar stünde sie zum einen für „den Zusammenhalt der Landwirtschaft in Not und die Autonomie der Landbevölkerung“, zugleich aber auch für eine „Blut-und-Boden-Politik“, also jene auch von den Nationalsozialisten vertretene Ideologie, dass eine Volksgruppe untrennbar zu einem Siedlungsgebiet gehöre.
Ein Lehrer entwarf die Fahne
Die Fahne mit Pflug und Schwert tauchte zum ersten Mal im August 1929 auf. Bauernführer Wilhelm Hamkens boykottierte damals Steuerzahlungen und wurde deshalb im schleswig-holsteinischen Neumünster zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Als er freigelassen werden sollte, gingen Bauern dort auf die Straße, um den Bauernführer in Freiheit zu begrüßen. Zu diesem Anlass entwarf der Volkshochschullehrer und Bauernfunktionär Peter Petersen die Fahne.
Petersen trat später in die NSDAP ein, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs saß er für die NPD im Landtag von Schleswig-Holstein. Er blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg überzeugter Nationalsozialist, wie er in der Dokumentation „Stumpfe Sense – Scharfer Stahl“ der Filmemacherin Quinka Stoehr von 1990 sagte.
Doku klärt über historische Hintergründe auf
In ihrem Film zeigt Stoehr Gründe für die Radikalisierung der Bauern in den späten 1920er Jahren auf: Damals war die Landwirtschaft hoch verschuldet, ab 1926 wurden Betriebe und Tiere zwangsversteigert. Die Marktpreise für landwirtschaftliche Produkte und Nutztiere brachen aufgrund gestiegener Importe ein.
Die Bauern, die weder Zinslast noch die vom Staat festgelegten Steuersätze zahlen konnten, forderten bei großen Demonstrationen, vor allem im ländlich geprägten Schleswig-Holstein, Entlastung von der Politik. Bis zu 140.000 Landwirte demonstrierten im Januar 1928 in verschiedenen Städten. Die Aktionen wurden radikaler, Zwangsvollstreckungen militant verhindert. Es kam zu ersten Bombenattentaten auf Regierungseinrichtungen.
Pflug und Schwert als Symbol des bäuerlichen Widerstands
Bei der Demonstration anlässlich der Freilassung des Bauernführers Hamkens 1929 in Neumünster beschlagnahmte die Polizei die entsprechende Fahne. Die Bauern boykottierten daraufhin die Stadt. Wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen des Boykotts knickten die Behörden in Neumünster schließlich ein – und gaben die Fahne im November 1930 an die Bauern zurück. Die Übergabe entwickelte sich zu einer Siegeszeremonie, die Fahne wurde zum Symbol des bäuerlichen Widerstandes und zum Erkennungszeichen der Landvolkbewegung.
Die NSDAP grenzte sich hingegen wegen der Radikalität und der dezentralen Organisationsstruktur von der Landvolkbewegung ab. Wegen der Legalitätstaktik der Nationalsozialisten wollte die Partei nicht mit den militanten Bauern in Verbindung gebracht werden. Ideologisch aber gab es viele Übereinstimmungen: So war die Landvolkbewegung antiparlamentarisch, völkisch und antisemitisch. Als klar wurde, dass die Bauernproteste scheiterten und die Landvolkbewegung ihre Forderungen nach niedrigen Steuern und Hilfen aus Berlin nicht durchsetzen konnte, ging die Bewegung nahezu vollständig in der NSDAP auf. In einigen Dörfern, wie etwa in Süderlügum, bekamen die Nazis 100 Prozent der Stimmen.
Die Filmemacherin Quinka Stoehr findet es deshalb falsch, wenn die Fahne der Landvolkbewegung auch heute noch auf Protesten auftaucht: „Wer diese Fahne zeigt, ist geschichtsvergessen.“ Auch Historiker Otto-Morris warnt: „Wer heute noch diese Fahne nutzt, verharmlost völkische Ideologien und Antisemitismus.“