Diese Dschungelstaffel verspricht Spiel, Spaß und Spannung. RTL scheint zum Jubiläum Aphrodisiaka verteilt zu haben. Eine Strategie, die voll aufgeht.
Eine Kolumne von Steven Sowa
„Ach krass, das ist das Dschungelcamp, leck mich am Arsch.“ Willkommen zurück zum Feuilleton-Highlight des Jahres, dem Liebling jedes kritisch klugen Kulturteils – und Mike Heiter liefert dafür sogleich die eloquente wie fachkundige Begrüßungsformel. Nur seine einstige Sexpartnerin Kim Virginia bringt es besser auf den (Höhe)punkt: „Dreckig, ekelhaft, Plumpsklo.“ Bitte, Danke, Vorhang auf für „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“.
Der RTL-Dschungel, da dürften sich nun wirklich alle einig sein, von Arm bis Reich, Bautzen bis Bonn, rechts bis links, ist ja auch so etwas wie das letzte Überbleibsel einer auf allen Ebenen auseinanderbrechenden Bundesrepublik. Da demonstrieren in Deutschland Zehntausende gegen Nazitreffen in Protzvillen und Millionäre mit Deportationsfantasien und 16.000 Kilometer weiter kippen sich Promis pürierte Superwürmer und Schweinenasen hinter die Binde. Da heißt es für einen Moment: zusammenhalten, mitfiebern, über die Ekelprüfungen mit brauner Brühe in der Heimat hinweggetröstet werden.
Cora Schumacher ist Camp- und Puffmutti zugleich
Wie gut, dass sich RTL für seine Jubiläumsstaffel einiges vorgenommen hat. Noch nie hing so viel Sex in der schwülen Dschungelluft Australiens, selten zuvor wirkte die Besetzung derart ausbalanciert bis eskalationsfreudig wie in diesem Jahr. Da gibt es GZSZ-Mimen, die sich als große Schauspieler stilisieren, weil sie mal einen Piraten auf der Freilichtbühne in Grevesmühlen verkörpert haben, ein No Angel, das an Tag eins splitternackt mit Katzenwäsche durchs Bild wackelt, oder einen Apache-haften Hünen mit dem Vornamen Fabio und dem jetzt schon gesetzten Spitznamen Knezmasse, weil selten jemand so sehr Typ Türsteher und Tollpatsch in einer Person war.
Cora Schumacher reißt die ersten drei Stunden des Dschungelwahnsinns an sich, als wäre es ihr Sohn David, der gerade im Begriff ist, von ihrem Ex Ralf in einem Block-artigen Entführungsdrama gekidnappt zu werden. Die 47-Jährige spielt Camp- und Puffmutti in einer Person, hilft einem tattrigen Heinz Hörtnix aka Herr „Hoenig im Kopf“ auf die Dschungelpritsche und begeistert das illustre Show-Dutzend am Lagerfeuer mit ihren Sexgeschichten rund um Deutschlands bekanntesten Schürzenjäger. Nein, es ist nicht Lothar Matthäus. Nur um dann zu sagen: „Ihr stellt mich immer so dar, als würde ich nur bumsen wollen.“
„Wenn ich ignoriert werde, bin ich schon horny“
„Oh Gott, ich bin in einem Trashformat“, denkt man da so bei sich, in Erinnerung an einen der diesjährigen Dschungelstars, ohne dass man sagen könnte, wer von den drei blassesten Gestalten Anya Elsner, Leyla Lahouar oder Sarah Kern das gesagt haben könnte. Zum Glück ist da ein Hoffnungsschimmer am Dschungelhorizont: David, oh danke. Wird er etwa der erste Sportler der Dschungelgeschichte mit Siegeschancen, der dem Don in seinem Namen alle Ehre verleiht und Corleone-mäßig die Campfamilie zusammenhält, Streit schlichtet und zur Tat schreitet, wenn die Prüfung ruft? Er selbst arbeitet schon an seiner Legende: „Wir sind eine Mannschaft, da will ich keinen in die Pfanne hauen.“
Sein ärgster Konkurrent begegnet ihm auf Augenhöhe. Beide eint die leicht unterdurchschnittliche Körpergröße. Nur, dass Twenty4Tim deutlich mehr Haare auf dem Haupt trägt. Ein Mann mit solch einem ansteckenden Lachen, dass man es glatt auf Corona testen möchte und der mit Weisheiten glänzt, die nur Kandidaten mit Thronpotential in sich tragen: „Wenn ich ignoriert werde, bin ich schon horny“, so der 23-Jährige altersweise.
Ja, der Sex lauert in diesem Jahr wirklich hinter jeder Dschungelpalme. Kim Virginia wird beim illegalen Kondomschmuggeln erwischt, Fabio Knez philosophiert über „Austauschhoden“ für den Urlaub und Anya Elsner konkurriert mit Kim Virginia um den Baggerpreis für den lüsternsten David-Odonkor-Flirt. Beide haben ein Auge auf den ehemaligen Flügelflitzer der Nationalmannschaft geworfen. Offenbar liegt in der Luft, dass man es hier mit einem künftigen König zu tun haben könnte. Vielleicht denken sie sogar beim Worst-Case-Szenario an ein Happy End, frei nach dem Motto: Wenn ich von Odonkor den Laufpass bekomme, könnte ich ja noch einen abstauben (hoffentlich hat Fabio mit seinem pedantischen Putzfimmel nicht zugehört).