Josephs finanzieller Gewinn als Drogendealer ist hoch – auf Kosten der Gesundheit. Eigentlich will er diese illegalen Geschäfte gar nicht machen, doch sein Traum von Deutschland lässt ihn nicht los.
Viele wollen heute etwas von Joseph: Ketamin, Koks, Ecstacy oder Speed. Er hat alles dabei. In seiner schwarzen Bauchtasche. Joseph ist einer von vielen Drogendealern in Berlin – aber das nicht ganz freiwillig.
In den meisten Clubs muss er vorsichtig sein beim Verkauf. Wechselt ein Geldschein zu offensichtlich den Besitzer, könnte die Security aufmerksam werden – und dann fliegt er raus. Das wäre schlecht fürs Geschäft. Also nimmt er die Scheine und bestellt ein Bier. Wenige Minuten später setzt sich der Käufer neben ihn, bekommt den Stoff. Und mit ihm den ersehnten Rausch. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten – zumindest für den Moment.
„Das weiße Gift“ überschwemmt die Hauptstadt
Denn das, was Joseph da verkauft, hat Folgen: In Berlin ist die Zahl der Rauschgiftdelikte und Drogentoten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Besonders der Handel mit dem „weißen Gift“ Kokain nimmt signifikant zu. Das bereitet auch Olaf Schremm große Sorgen. Er ist Leiter des Drogendezernats Berlin und sagt: „In der Stadt gibt es regelrecht eine Kokainschwemme. Im letzten Jahr starben sogar erstmals über 200 Menschen in Zusammenhang mit Drogen insgesamt in Berlin.“ Und die Dealer zu schnappen, sei nicht leicht. „Oft sind sie uns einen Schritt voraus, zum Beispiel durch den Onlinehandel“, klagt Schremm.
Das gesamte Interview mit Drogenfahnder Schremm zur Ermittlungsarbeit lesen Sie hier.
Video | Droht bereits beim Erstkonsum eine Abhängigkeit?
Quelle: Glomex
Am Tag nach seinem Clubbesuch sitzt Joseph schon wieder bei einem Espresso im Café. Er ist etwas kaputt von der letzten Nacht. In Erzähllaune ist er trotzdem. Er berichtet von den letzten Partys, dem Tanzen, der Musik – und seinem Job. Meistens arbeitet er in den Clubs von Freitag bis Montag, jetzt während Corona je nach Partyangebot. Den Rest der Woche kommen seine Kunden zu ihm nach Hause oder er ist selbst kreuz und quer in Berlin unterwegs. „Ich habe ein paar Stunden geschlafen, das geht schon“, sagt er und kippt Zucker zum Koffein.
„Dealer ist nicht mein Traumberuf“
Schon vor etlichen Jahren ist Joseph aus seiner Heimat Tunesien nach Berlin gezogen. „Viele Tunesier haben Freunde hier, die mit den Drogen auf einmal extrem reich geworden sind. Zuerst schuften sie hart auf Baustellen, um dann genug Geld für eine größere Menge Kokain zu sparen“, verrät er. Doch sein Ziel war das nie. Er hatte andere Träume.
„Ich wollte einfach in diese Stadt und hier studieren – aber das hat nicht geklappt.“ Geblieben ist er trotzdem. Die erste Zeit war er noch legal im Land, hatte einen normalen Job. Als vor zwei Jahren weder Aufenthaltsgenehmigung noch Arbeitserlaubnis verlängert wurden, entschied er sich, zu dealen. Zuerst gab Josephs Kumpel ihm kleine Mengen verschiedener Drogen. Er begleitete ihn damit in die Clubs, knüpfte Kontakte und lernte das Business kennen – und stieg so tief ein in die Techno-Szene.
„Ich war sauer. Habe gedacht, ich arbeite trotzdem hier. Ich brauch eure Papiere nicht! Aber das ist wirklich nicht mein Traumberuf.“ Sobald er eine Genehmigung bekommt, wolle er wieder normal arbeiten.
Drogen verkaufen inmitten des alltäglichen Treibens
Josephs Smartphone liegt neben ihm, während er erzählt. Alle paar Minuten vibriert es. Er schaut dann immer etwas zu fahrig darauf. Mitten im Gespräch kommt ein Anruf, den er auch annimmt. „Klar, kommt gern vorbei“, sagt er dann. Wenig später sitzen der Anrufer und seine Freundin auch schon mit am Tisch. Sie sind Anfang 20, studieren und gehören laut dem aktuellsten Drogen- und Suchtbericht zu den rund sieben Prozent der 18- bis 25-Jährigen, die regelmäßig illegale Drogen konsumieren.
Später erzählt Joseph, dass seine Kunden keine Junkies seien: „Ich verkaufe an ganz normale Leute: Studenten, die arbeitende Gesellschaft. Einfach alle, die gerne mal feiern gehen.“