Wehrdienst oder Wehrpflicht?
Das fordern die Parteien – so machen es Verbündete
Aktualisiert am 19.02.2025 – 16:21 UhrLesedauer: 3 Min.
Der Ukraine-Krieg befeuert in Deutschland die Debatte über den Wehrdienst. Könnten die Modelle anderer Nato-Staaten als Vorbilder dienen?
Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 wird in Deutschland verstärkt über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Nach 55 Jahren war sie im Juli 2011 unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Seitdem ist der Wehrdienst in Deutschland freiwillig. Nur wenn der Bundestag den Verteidigungsfall ausruft, können Männer zwischen 18 und 60 Jahren zum Wehrdienst verpflichtet werden.
Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde die Bundeswehr vor große logistische Probleme stellen, weil nach 2011 die Kreiswehrersatzämter abgeschafft wurden. Dort wurden junge Männer gemustert und nach dem Grad ihrer Tauglichkeit für den Wehrdienst erfasst. Daher geht es in den aktuellen Vorschlägen zum Wehrdienst vor allem auch darum, diensttaugliche Männer und Frauen überhaupt zu erfassen. Vor der Bundestagswahl haben die Parteien ihre Positionen zum Wehrdienst konkretisiert.
So will die SPD am freiwilligen Wehrdienst festhalten, aber alle 18-Jährigen im Land mit einem Fragebogen kontaktieren. Männer müssen einen Fragebogen ausfüllen, Frauen können ihn freiwillig ausfüllen. Taugliche Männer können dann für einen freiwilligen Wehrdienst der Bundeswehr beitreten, auch Frauen steht diese Möglichkeit offen. Unter den Freiwilligen soll dann entsprechend dem Personalbedarf der Bundeswehr rekrutiert werden.
Die Union setzt dagegen auf ein verpflichtendes sogenanntes Gesellschaftsjahr für junge Menschen. Männer sollen wieder gemustert und nach dem Grad ihrer Tauglichkeit bewertet werden. Taugliche, die sich für den Wehrdienst entscheiden, sollen dann zum Grundwehrdienst eingezogen werden, je nach dem Bedarf der Bundeswehr. Wer sich gegen den Wehrdienst entscheidet, soll sich ein Jahr lang an anderer Stelle gesellschaftlich engagieren.
Auch die Grünen setzen auf eine Wehrerfassung mittels Fragebogen und wollen den freiwilligen Wehrdienst zudem attraktiver gestalten, beispielweise durch mehr Dienstposten bei der Bundeswehr. Die FDP lehnt die Wehrpflicht strikt ab und fordert stattdessen eine „professionelle Freiwilligenarmee“ sowie eine Datenbank wehrfähiger Personen. Auch Linke und BSW sind strikt gegen eine Wehrpflicht. Die AfD dagegen will die Wehrpflicht wieder einführen.
Könnte sich Deutschland beim Wehrdienst ein Beispiel an anderen Ländern nehmen? Ein Überblick über die unterschiedlichen Modelle in anderen Nato-Staaten.
Nachdem Schweden die Wehrpflicht 2010 ausgesetzt hatte, wurden sie sieben Jahre später wieder eingeführt. Trotzdem werden längst nicht alle jungen Männer und Frauen aus einem Jahrgang eingezogen. Nachdem zunächst alle einen Fragebogen von der Musterungsbehörde bekommen, wird nur ein Teil von ihnen zur Musterung eingeladen. Ein ausgewählter Kreis wiederum erhält dann am Ende Angebote für einen Dienst. Es handelt sich also um eine Art Musterungspflicht. In sechs bis 15 Monaten bekommen die Rekrutinnen und Rekruten eine militärische Grund- und Führungsausbildung.
In Dänemark gilt die Wehrpflicht bislang für Männer ab 18 Jahren. Weil es genug Interessenten gibt, wird aber nur ein Teil eines Jahrgangs einberufen. Doch das soll sich ab 2026 ändern: Geplant ist, dass die Wehrpflicht auch auf Frauen ausgeweitet wird. Der Grundwehrdienst soll zudem von vier auf elf Monate verlängert werden.
Video | Rückkehr der Wehrpflicht? Ein Pro & Kontra:
Griechenland
In Griechenland herrscht eine Militärpflicht für alle Männer. Sie beträgt zurzeit in allen Waffengattungen zwölf Monate. Wer an den Grenzen dient, bleibt nur neun Monate. Das gilt auch für Sondereinheiten, wie beispielsweise bei den Fallschirmjägern oder den Tauchern. Daneben gibt es die Möglichkeit zu einem Zivildienst, der aber doppelt so lang dauert. Wegen schrumpfender Bevölkerung plant Athen einen freiwilligen Militärdienst auch für Frauen.
In der Türkei gilt die Wehrpflicht laut Gesetz für alle Männer zwischen 20 und 41 Jahren. Sie müssen mindestens sechs Monate dienen. Gegen eine Zahlung von umgerechnet etwa 5200 Euro kann die Zeit auf vier Wochen verkürzt werden. Sich dem Wehrdienst zu entziehen, wird mit Geldbußen und Gefängnis bestraft. In der Vergangenheit machte es die Regierung mehrfach zeitlich begrenzt möglich, sich vollständig vom Wehrdienst freizukaufen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es nicht.
Lettland
Lettland hatte in Reaktion auf den Angriffskrieg des Nachbarlandes Russland gegen die Ukraine den Wehrdienst schrittweise wieder eingeführt: zunächst von Mitte 2023 an auf freiwilliger Basis, seit Anfang 2024 verpflichtend. Eingezogen werden Männer im Alter von 18 bis 27 Jahren. Frauen können freiwillig die elfmonatige militärische Ausbildung absolvieren. Ein alternativer Ersatzdienst ist in einer dem Verteidigungsministerium unterstellten Einrichtung zu leisten.